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Auf die Atmung kommt es an

Sanierung von Altbauten funktioniert meist so: rausreißen und neu bauen. Das ist billiger als die Wiederherstellung der Gebäude. Dabei geht nicht nur Charme verloren, sondern auch die natürliche Lüftung. Ausnahmen sind selten

von HANS-CHRISTOPH STEPHAN

Schöne neue Wohnungen, topp saniert in altem Ambiente: Damit locken Immobilienmakler, wenn sie im Ostteil der Stadt die massenhaft in Eigentum umgewandelten ehemaligen Mietwohnungen anpreisen. Doch oft wird gepfuscht und billig saniert, sodass sich kurz nach Ablauf der Garantiefristen die ersten Zähne der Zeit an Deckenabhängungen oder Badfliesen zeigen.

Vom Bauträger bis zum kleinen Gewerk stehen alle am Bau beteiligten Firmen unter immensem Zeit- und Gelddruck. Da ist es preiswerter, herauszureißen und neu zu bauen, statt aufzuarbeiten. Die Wohnungen verlieren damit nicht nur ihren Altbaucharme, sondern Wohnqualität, weil sie nicht mehr atmen. Statt alter Doppelkastenfenster, breiter Dielen und gemauerter Zwischenwände werden Plastik-Vakuumfenster, Laminat und Rigipswände eingezogen. Die Füllböden aus Lehm oder Schlacke wandern in den Container und werden durch Mineralwolle mit darauf verlegten Spanplatten oder durch PVC-Böden ersetzt.

Die Folge sind hermetisch abgeriegelte Wohnungen, die zwar einen hohen Energiespareffekt haben, aber das Lüftungsverhalten der Räume zum Erliegen bringen. Bei Mietern, die aus Kostengründen weniger heizen, steigt dann die Gefahr des Schimmelpilzes, weil kalte Luft kaum Feuchtigkeit bindet, sodass der Pilz gedeiht. „Damit gibt es immer wieder Probleme“, bestätigt Reiner Wild vom Berliner Mieterverein.

Ökologische Sanierung könnte das verhindern. Die Aufarbeitung alter Doppelkastenfenster, Dielen und Türen sowie der Einsatz von Naturbaustoffen würde ein besseres Raumluftklima ergeben und damit auch die Allergiegefahr verringern. „Lehmputz etwa ist dampfdurchlässig, wärme- und feuchtigkeitsregulierend. Die überschüssige Luftfeuchtigkeit im Raum wird drei- bis viermal besser aufgenommen und bei sinkender Luftfeuchtigkeit abgegeben als bei herkömmlichen Putzen“, erklärt Peter Steingass von der Firma KirchBauhof, die seit Jahren versucht, den uralten Baustoff populär zu machen. Doch die Nachfrage ist selbst bei dem einfach aufzubringenden Putz gering, obwohl eine Studie der Münchener Bundeswehr-Universität, festgestellt hat, dass Lehm den in Großstädten üblichen Elektrosmog zu 99,9 Prozent abschirmt.

Lehm ist auf Grund der geringen Nachfrage vom Arme-Leute- zum Luxusbaustoff aufgestiegen. Jörg Wappler vom Planungsbüro WOF kann daher von den Aufträgen nicht leben: „Nur wer Geld und Zeit hat, bestellt Lehmwände, ist dann aber zufrieden mit dem Wohnklima.“ Meist kommen die Anfragen aus Selbsthilfeprojekten im Prenzlauer Berg. Die Baubranche zieht dagegen ökonomische Kriterien vor. Nur über die Vergabe von Fördermitteln im Rahmen der behutsamen Stadterneuerung achten die Bauämter auf ökologische Kriterien, die sich aber auf Werterhalt und Aufarbeitung beschränken.

Die Ostberliner Wohnungsbaugesellschaften haben deshalb in den vergangenen zehn Jahren nie nach ökologischen Kriterien saniert, indem sie entsprechende Baustoffe einsetzten, sondern sich nur an Förderrichtlinien und Denkmalschutzvorgaben orientiert. „Mit der Einfrierung der Fördermittel hat auch diese Richtlinie nun ein Ende“, sagt Birgit Stötzer, Sprecherin der Wohnungsbaugesellschaft Mitte. „Baugenehmigungen orientieren sich ohnehin nicht an ökologischen Standards“, sagt Wild.

Auch bei den privaten Häuslebauern im Berliner Umland lässt das Interesse am ökologischen Bauen nach. „Die Eigenheimbauer sparen lieber Geld, bevor sie teuer die Umwelt schützen“, weiß Peter Dirk von der Berliner Verbraucherzentrale. „Die Euphorie vom Ende der Achtziger, als viele Architekten auf ökologisches Bauen umsattelten, hat sich in Luft aufgelöst“, bestätigt der Berliner Architekt Joachim Glässel.

Da ist es schon erstaunlich, dass die StadtWerk Berlin einen ökologischen Immobilienfonds für die Sanierung eines Lichtenberger Gründerzeithauses in der Lichtenberger Wönnichstraße aufgelegt hat, über den das Projekt einer umweltfreundlichen und sozialen Sanierung ermöglicht wird. Dabei geht es dem Geschäftsführer Fabian Tacke nicht nur um die Hülle des Hauses, sondern um ökologische Raumgestaltung, die Erhaltung der Erneuerung vorzieht. Der einzigartige Immobilienfonds für ökologische Altbausanierung hält, was er verspricht: topp saniert in altem Ambiente.

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