: Standortvorteil Szeneviertel
Der Software-Konzern SAP eröffnet eine neue Niederlassung für 550 Mitarbeiter in Mitte. Auf dem Rosenthaler Hof entsteht für 60 Millionen Euro ein siebenstöckiges Bürogebäude. Konzernchef Plattner ist von der Jugendlichkeit des Viertels angetan
von MARKUS MAXIMILIAN POHL
Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) strahlten mit der Frühlingssonne um die Wette, und Senatssprecher Michael Donnermeyer wies die versammelten Journalisten freundlich zurecht: „Fragen zur Wahl in Sachsen-Anhalt stellen sie bitte hinten an!“ Nichts sollte gestern díe gute Stimmung in den ehemaligen Räumen des Kaufhauses Wertheim an der Rosenthaler Straße trüben – schließlich konnte der rot-rote Senat den ersten großen Ansiedlungserfolg seiner Amtszeit verkünden.
Spätestens Anfang 2004 will SAP, der größte europäische Software-Konzern, in Mitte eine neue Hauptstadtniederlassung beziehen. Zu diesem Zweck errichtet die Projektwerke Hamburg AG auf dem brachliegenden Rosenthaler Hof in der Nähe des Hackeschen Markts für 60 Millionen Euro einen siebengeschossigen Neubau. Auf über 15.000 Quadratmetern sollen rund 550 Mitarbeiter Platz finden.
“Das ist ein guter Standort für unsere Angestellten und Gäste“, sagte SAP-Chef Hasso Plattner. Die derzeit über Berlin verstreuten 300 SAP-Mitarbeiter sollen in der neuen Dependance zusammengebracht werden, wo neben Verwaltung und Vertrieb auch Schulung und Entwicklung des Konzerns untergebracht werden sollen. Den restlichen Platz in dem gläsernen Bürogebäude will der Software-Riese mit 250 neuen Arbeitsplätzen besetzen.
„Es gibt viele junge, qualifizierte Leute in Berlin, die in unserer Branche tätig werden können“, so Plattner. Die Wahl auf die Hauptstadt sei auch mit Blick auf den geplanten Ausbau des Geschäfts nach Osteuropa gefallen. „Wir hoffen, dass die Konjunktur anspringt, um die Kapazitäten in dem Gebäude auffüllen zu können“, sagte der SAP-Chef. Zur Not werde man an Geschäftspartner untervermieten.
Bürgermeister Klaus Wowereit freute sich über „eine gute Nachricht für die Stadt und eine klare Entscheidung für die Zukunft“. Er wolle keine Illusionen verbreiten, aber die Ansiedlung von SAP mache Hoffnung, dass auch andere Unternehmen nachfolgen würden. Wowereit sprach von einem „Mosaikstein in der Umstrukturierung der Berliner Wirtschaft“. Nach dem Niedergang der Industrie müsse sich die Stadt verstärkt den Zukunftsbranchen zuwenden.
Auch Wirtschaftssenator Gregor Gysi äußerte die Hoffnung, dass die SAP-Ansiedlung einen „Schneeballeffekt“ auslöse. Zur Frage, ob und in welchem Umfang der Senat den Software-Konzern mit Fördergeldern gelockt habe, äußerte sich Gysi ausweichend. „Wir haben im Rahmen unserer Möglichkeiten alles gemacht, was legitim und legal ist“, so Gysi. „Mehr will ich hier nicht sagen.“ In dieser Frage seien noch nicht alle Einzelheiten geklärt. SAP-Chef Plattner betonte aber, Subventionen hätten nicht den Ausschlag für die Standortwahl gegeben: „Da hätten wir anderswo mehr bekommen.“
Statt von Subventionen war dagegen viel von den weichen Standortfaktoren die Rede, die gerade das Szeneviertel um den Hackeschen Markt zu bieten habe. Wowereit und Gysi betonten unisono die Jugendlichkeit und das Kulturangebot Berlins, und auch Plattner zeigte sich von der „aktiven Kneipenlandschaft“ in Mitte angetan. SAP setze darauf, dass vor allem junge Fachkräfte lieber in Berlin arbeiten wollten als in Walldorf in der badischen Provinz, wo die SAP-Zentrale angesiedelt ist. „Dort sitzen wir direkt neben den Spargelfeldern, hier sind wir mitten in der Hauptstadt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen