: Einer, der Holzfüße zu Künstlern macht
Klaus Toppmöller stürmt mit Bayer Leverkusen und hierzulande ungewohntem Offensivfußball in die europäische Elite
Gern sitzt Klaus Toppmöller in seiner Lieblingskneipe in seiner Heimat, in Rivenich an der Mosel. Dort tauscht er sich gern mit alten Kumpels aus, trinkt das eine oder andere Bier und kloppt Skat. Dieser bodenständige Mikrokosmos ist ihm wichtiger als die Glitzerwelt des Fußballs, in der die VIPs gern über die schlechte Qualität der Scampi räsonieren, und doch hat er letztes Jahr wenig Zeit dafür gefunden.
In Turin, Barcelona und London ist er dank der Champions League schon mit Bayer Leverkusen gewesen, im Viertelfinale an der Liverpooler Anfield Road und jetzt in Manchester, wo sein Team ein 2:2 herausspielte. Vor solchen Auftritten spricht er wie ein Fan, benutzt Vokabeln wie „Kathedrale“, „Tempel“ oder einfach „Mythos“. Aufregende Erlebnisse sind das für ihn, und dennoch meistert er sie souverän, im Stile eines großen Trainers.
Endgültig passé die Ära, da Trainer Toppmöller noch völlig ungebremst seine großkotzigen Sprüche hinaus in den zitatgierigen Schlund des Fußballs schleuderte. So wie 1993 als Coach von Eintracht Frankfurt, als er, da sich sein Team just ein paar Punkte Vorsprung auf das deutsche Fußball-Establishment erspielt hatte, jenes viel zitierte „Bye, bye, Bayern“ herausblies. Zu Berti Vogts’ fußballerischen Möglichkeiten befragt, hat er damals geantwortet: „An seiner Stelle hätte ich damals die Fußballschuhe verbrannt.“
Nach seinem Rausschmiss in Frankfurt aber wirkte Toppmöllers Gedankenwelt nicht mehr wie die kleiner Kinder, die in der unbeschwerten Welt der Gegenwart leben dürfen. Bereits in den fünf anschließenden Trainerjahren beim VfL Bochum hat der mittlerweile 49-Jährige mit leisen Tönen und großem psychologischem Geschick versucht, seine Philosophie vom Fußball umzusetzen. Toppmöller begeistert sich für das Technische, versucht, das spielerisch Maximale aus seinen Spielern herauszuholen. In Salmrohr, wo Toppmöller 1987 erste Erfahrungen als Trainer sammelte, sagen sie noch heute von ihm, er habe „Holzfüße zu Künstlern gemacht“.
Diese Idee vom Fußball ist geprägt von Toppmöllers Karriere als Aktiver. Er, der einst als Mittelstürmer in 204 Bundesligaspielen 108 Tore für den 1. FC Kaiserslautern schoss, verachtet defensive Spielsysteme. Attraktiver Angriffsfußball ist seine Devise. In einer Welt, in der die Torsicherung oft über alles geht, eine rührselige, fast sozialromantische Methode.
Und eine erfolgreiche. Neulich hat sein Team vor aller Welt in hinreißender Weise das rote Defensivmonster aus Liverpool zerlegt, nach dem nicht minder beeindruckenden Remis in Old Trafford steht die Mannschaft vor dem Einzug in das Champions-League-Finale. In der Bundesliga kann Bayer die Meisterschaft gewinnen, das Pokalfinale ist schon erreicht.
Wie ist diese Metamorphose zu erklären? Wie konnte der „ewige Zweite“, der in den letzten Jahren nur Hohn und Spott über sich ergehen lassen musste, sich zu einer europäischen Größe mausern? Keiner im Fußballgeschäft bezweifelt den Anteil Toppmöllers daran. Er hat seinen Spielern offensichtlich jene unerschrockene Einstellung vermittelt, die ihn als Spieler auszeichnete. „Ich wollte immer zeigen, was für ein guter Fußballer ich bin“, lautete damals sein Credo. Es wäre ihm zu wünschen, wenn er dafür mit wenigstens einem Titel belohnt werden würde. ERIK EGGERS
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