: Kaufen mit gutem Gewissen
In Hamburg soll Deutschland größtes Öko-Kaufhaus entstehen: ein Einkaufszentrum mit einem Mix aus Handel, Dienstleistung und Handwerk, das die Grundsätze der Nachhaltigkeit berücksichtigt
Die Nachfrage nach Bioprodukten ist da, Tendenz steigend. Doch manch kleiner Anbieter eines spezialisierten Sortiments wird in einer Großstadt kaum wahrgenommen. Hier setzt die Idee eines Ökozentrums an: Unter dem gemeinsamen Etikett „Gesund und umweltfreundlich“ sollen verschiedene Angebote gebündelt werden, um so mehr Aufmerksamkeit zu erzielen. Inzwischen wurden in Deutschland einige Ökozentren mit einer Größe von mehreren 1.000 Quadratmetern in unterschiedlicher Form umgesetzt.
In Hamburg hatte die Handwerkskammer bereits Mitte der 90er-Jahre ein Konzept für ein Ökozentrum entworfen, das in Zusammarbeit mit dem Bezirksamt des Stadtteils Altona und ortsansässigen Ökobetrieben weiter entwickelt wurde. Die Bürgerschaft der Hansestadt stellte ein stadteigenes Grundstück zur Verfügung, übertrug der städtischen Tochter Hamburger Gesellschaft für Gewerbebauförderung HaGG die Bauträgerschaft und gab einen Zuschuss von 6,55 Millionen Euro, der über die Mieten zurückerwirtschaftet werden soll.
Im Mai letzten Jahres legte Bundesverbraucherschutz-Ministerin Renate Künast auf dem Grundstück im dicht besiedelten Stadtteil Altona-Ottensen den Grundstein für insgesamt 35.000 Quadratmeter Zentrumsfläche auf vier Geschossen, die bis zum 4. Oktober dieses Jahres bezugsfertig sein sollen. Mit der Vermarktung ist die Kölner Firma ecom AG beauftragt worden; sie wird auch für das Centermanagement verantwortlich sein.
„Wir haben das ursprüngliche Konzept lediglich in den Profilen geschärft“, sagt Peter Moll, Vorstandsmitglied der ecom. Das Besondere daran sei, dass es ein Nachhaltigkeitszentrum werden soll. „Damit ist es das erste dieser Art in Deutschland“, betont Moll: Ein Ökokaufhaus biete schwerpunktmäßig Einzelhandel, ein Ökozentrum versammele Einzelhandel und Dienstleistungen, aber ein Nachhaltigkeitszentrum ergänze diese beiden Bereiche um handwerkliche Betriebe. Hinzu komme, dass die Mieter sich schriftlich dazu verpflichten sollen, ihre Produktpalette nach sechs Grundprinzipien der Nachhaltigkeit auszurichten. Diese seien die der gesunden, funktions- und nutzungsgerechten, wirtschaftlich erfolgreichen, umweltfreundlichen, sozial-gerechten sowie regional orientierten Produktion. Die Einhaltung der Kriterien soll später das Centermanagement kontrollieren.
In normalen Geschäften der Ökobranche würden in der Regel nicht alle Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. So käme in Bioläden häufig der Grundsatz eines regional orientierten Angebots zu kurz. „Das wollen wir besser machen“, so Moll, „zumindest bei den Produkten, bei denen wir die Wahl haben.“ Ein weiterer Teil der „Profilschärfung“ besteht in der Benennung von vier „Zugpferden“: Das sind gesunde Ernährung, gesundes Wohnen/Inneneinrichtung, ganzheitliche Medizin und Wellness.
Damit das Zentrum glaubwürdig ist, soll außerdem das Gebäude selbst „öko“ werden. Dazu gehören der Einsatz biologischer Baustoffe und der Bau nach Niedrigenergiehausstandard. „Das Zentrum wird eines der ersten Gewerbegebäude überhaupt sein, die diesen Standard erfüllen“, erklärt Uwe Hauer, Geschäftsführer der HaGG. „Bei der Planung lag der Schwerpunkt darauf, aufwändige Energie fressende Haustechnik zu minimieren und stattdessen natürliche Ressourcen wie das einfallende Sonnenlicht zu nutzen.“ Zusätzlich bestehe nach wie vor die Option, auf dem Dach erneuerbare Energien zu installieren. Laut Klaus Gabrielli, auch im Vorstand der ecom, ist aber noch nicht klar, ob das Photovoltaik, Solarthermie oder sogar ein völlig neues Konzept urbaner Windenergienutzung werde. „Das hängt davon ab, ob wir Investoren finden. Im Prinzip sind wir offen für alles“, sagt er.
Während die Geldgeber für erneuerbare Energien noch gesucht werden, verhandelt ecom bereits mit 50 Interessenten für die 20.000 Quadratmeter vermietbare Fläche. Auch über mangelnde Kundennachfrage macht man sich bei ecom und HaGG keine Sorgen. Nach neueren Schätzungen müssen täglich zwischen 6.000 und 8.000 Kunden das Zentrum besuchen, damit die Umsätze stimmen. „Die Firmen, die ins Zentrum kommen, waren auch schon vorher wirtschaftlich überlebensfähig. Unter einem gemeinsamen Dach kann es nur besser werden“, ist Gabrielli optimistisch. Dazu werde auch das aktive Centermanagement beitragen, das Werbeaktivitäten koordinieren und nach Synergiemöglichkeiten forschen soll. Hauer ergänzt: „Wir wollen nicht nur die Kunden erreichen, die sowieso schon Bioprodukte einkaufen, sondern vor allem neue Kunden.“
Als Zielgruppen sehe man dabei angehende junge Familien, junge Alte ab 50 sowie die Gruppe der besser verdienenden Singles und Doppelverdiener. Diese Gruppen sollen nicht mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger angesprochen werden, sondern mit der Botschaft, dass Ökoprodukte einfach besser, weil qualitativ hochwertiger und gesünder seien. Hauer sieht das Zentrum jedoch nicht als Shopping- und Wellness-Oase für Besserverdienende. „Wir wollen kein Öko-Discounter sein, aber wir werden auch Sonderangebote haben.“ NICOLE PAUL
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