: Der Ball gehört dem Markt
taz kongress on tour: „Wem gehört der Ball?“, fragten die Diskutanten in Freiburg. Man war sich einig: Den Fans noch nie. Und: Trotz Insolvenz sitzt Kirch weiter mit an den Verhandlungstischen
aus Freiburg THILO KNOTT
Leo Kirch sitzt anscheinend wieder mit an den Verhandlungstischen des bezahlten Fußballs. Indirekt zumindest ist das so. Neulich, erzählte Ernst Thoman von der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV), sei er beim Zweitligaspiel MSV Duisburg gegen FSV Mainz gewesen. Hinterher „kamen drei Duisburger Spieler auf mich zu“. Sie suchten Rat – aus Sorge um ihren Arbeitsplatz. Und jetzt kommt wieder Kirch ins Spiel: Der Verein übe bei den Vertragsverhandlungen „Druck“ aus, hätten ihm die drei Profis gesteckt – mit dem Verweis auf die klammen Kassen wegen der Kirch-Krise. Funktioniert so mittlerweile der Vertragspoker? Hören Sie mal, Herr Profi, wir haben wegen Kirch kein Geld mehr, entweder du verzichtest auf Gehalt oder wir verlängern den Vertrag nicht? „Die Vereine vor allem der Zweiten Liga instrumentalisieren das Thema Leo Kirch“, erklärte Spielergewerkschaftsboss Thoman.
„Wem gehört der Ball?“, hat die taz beim taz-kongress on tour in Freiburg gefragt. Doch die Frage war bei der Podiumsdiskussion dann: Wer bezahlt den Ball? Und vor allem wie – ohne die Kirch-Gelder? Das Szenario malte Thoman aus: Der erste Stichtag ist der 15. Mai , der Zahltag für die nächste Kirch-Rate. Doch von den 100 Millionen Euro würden „nur noch zwei Drittel“ überwiesen. Das Loch werde „mit den 40 Millionen Euro aus dem Feuerwehrfonds der Deutschen Fußball-Liga“ gestopft. Der zweite Stichtag liegt im September, da wird die Kirch-Rate dann komplett ausfallen. „Dann wird es finster“, raunte Thoman, „dann kann die Zweite Liga wirtschaftlich nicht mehr bestehen.“
Das wird sie vermutlich auch weiter in der neuen Saison. Genauso natürlich wie Liga eins. „Es gibt keine Existenzängste unter den Profis“, beruhigte Ex-Schalke-Profi Yves Eigenrauch. Allerdings: Wenn Kicker wie Nico Patschinski (FC St. Pauli) erklärten, sie könnten bald die Miete nicht mehr bezahlen, dann sei das zwar „unbeholfen“, besitze aber eine „exemplarische Note“. Eigenrauch fasst die Innensicht so zusammen: „Wenn man nur noch ins Ohr geflüstert bekommt, der Größte und Tollste zu sein, dann verliert man leicht die Realität aus dem Auge.“
Sind’s also wieder die „Scheißmillionäre“? Gewerkschafter Thoman wolle sich nicht auf eine „Sozialneid-Diskussion“ einlassen. „Die hat es bei Boris Becker, Steffi Graf und nun bei Michael Schumacher doch auch nicht gegeben!“ Der Gewerkschafter sieht das Ganze ganz arbeitgeberisch: „Wenn man auf dem Schachbrett des Kapitalismus spielt, braucht man sich nicht über hohe Gehälter aufzuregen. Das ist der Markt.“ Thoman glaubt sogar, dass Fußball trotz der Kirch-Pleite weiter ein „hochwertiges Produkt“ bleibe. Und ganz optimistisch: „Bei den nächsten Verhandlungen um TV-Rechte – mit wem auch immer – wird es auf keinen Fall einen Preisabschlag geben, das ist nicht verhandelbar.“
Eigenrauch dagegen verteidigte die „moralische Frage“ nach den Gehältern der Spieler: „Ich muss doch nicht 250.000 Euro im Monat haben, mit 100.000 Euro komme ich doch auch aus.“ Bewusstseinswandel? Besteht in der Kirch-Pleite auch die Möglichkeit zur Reinigung? Gerd Dembowski ist skeptisch. „Kirch hat zumindest meinen Fußball kaputtgemacht“, sagt der Sprecher des Bündnisses Aktiver FußballFans. Und nüchtern muss er feststellen: „Wir Fans können das Spiel nicht zurückholen, denn wir hatten es nie.“
Kirch habe mit seinem Pay-TV trotz schlussendlichen Scheiterns eine „Generation von Wohnzimmermittelstürmern herangezüchtet“. Viele Kinder würden Fußball nur noch als „Fernsehfußball“ kennen. Und dann kämen sie ins Stadion und müssten feststellen, dass „90 Minuten auch ganz schön langweilen können“, sagt Dembowski.
Wem gehört der Ball? Schwierige Frage. Klarer schon: Wer wird Deutscher Meister? Da bestand Einigkeit: Bayer Leverkusen, antworteten die Diskutanten unisono. Wegen des famosen Fußballs natürlich. Und weil Bayer heute entsprechend in Nürnberg gewinnen muss. So sieht das zumindest Marc Schmid, Vorsitzender der SC-Freiburg-Fangemeinschaft, ganz eigennützig: „Wenn Leverkusen Meister wird, dann steigt der Sportclub nicht ab.“
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