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Zurück an den Herd

Express-Abitur stellt berufstätige Mütter vor neue Probleme: Schüler sollen nach der 5. Stunde zu Hause essen und dann zurück in die Klasse. Gymnasial-Lehrer fordern jetzt ein Moratorium

von ANNETTE GABRECHT

Hamburgs Schüler, so will es der neue Senat, sollen ab dem nächsten Schuljahr das Abitur in 12 Jahren schaffen. Doch zwei Monate vor der Sommerpause haben die meisten Gymnasien kein fertiges Konzept, wie dies gehen soll. An mehreren Gymnasien wie der Emilie-Wüstenfeld-Schule in Eimsbüttel planen die Schulleiter deshalb Nachmittagsunterricht bis 17 Uhr an ein bis zwei Tagen. Vor allem berufstätige Mütter der künftigen Fünftklässler ruft dies auf den Plan. Sie müssen ihre Kinder schon um 12 Uhr 40 zu Hause empfangen und bekochen. Oder sie sich selbst überlassen.

Dann geht es ihnen wie dem 10-Jährigen Marvin. Am Dienstag macht er sich nach fünf Schulstunden auf den Weg nach Hause. Seine Mutter kommt erst um 15 Uhr, sie hat ihm das Chili con Carne vom Vortag hingestellt. Marvin hebt kurz den Deckel vom Topf und beschließt, lieber den Rest Kekse zu essen. Dann zappt er noch kurz durch, was es im Fernsehen gibt. Um 14.10 Uhr macht er sich lustlos wieder auf den Weg; drei Schulstunden liegen noch vor ihm. Mit hängendem Magen und schlecht gelaunt kommt er um 17.20 Uhr schließlich nach Hause.

„Es ist absurd zu glauben, die Kinder seien nach einer Mittagspause und einem zweiten Schulweg frischer und konzentrierter“, sagt die Lehrerin Elisabeth Rosa-Robra vom Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in einer Berliner Ganztagsschule weiß sie: In der letzten Stunde sind die Schüler immer erschöpft – ob in der siebten morgens oder in der zehnten abends.

Rosa-Robra gehört zu den Kollegen an ihrer Schule, die einen längeren Unterricht am Vormittag für das kleinere Übel halten. Nachmittagsunterricht aber, so sagt sie, wäre das Gegenteil von Ganztagsschule. „Die definiert sich gerade dadurch, dass sie die Kinder betreut und berufstätige Mütter entlastet.“ Auch sei die Nachmittags-Lösung schlicht Ganztagsschule ohne Ganztagskonzept. Denn die Gymnasien haben weder Kantinen – allenfalls kleine Cafeterien – noch Aufenthaltsräume für Schüler und Pädagogen für eine Betreuung in der Mittagspause.

Also tritt entweder oben geschildertes Szenario in Kraft oder die Ressource Mutter in Erscheinung: die als Nicht-Berufstätige noch mehr Brötchen in der Cafeteria schmiert oder die Kinder der berufstätigen Mütter in einer sogenannten „Essgemeinschaft“ mit abfüttert.

Das warme Mittagessen sei vielleicht ohnehin „ein Fetisch“ , zitiert der Schulleiter des Emilie-Wüstenfeld-Gymnasiums, Wolf Wieters, einen Elternvertreter seiner Schule; ein „kleiner Snack“ tue es unter Umständen auch. Ob die Eltern der zukünftigen Fünftklässler das auch so sehen werden, ist die Frage. Räumt doch selbst der Schulleiter des Kaifu-Gymnasiums, Edgar Mebus, ein, dass der Koalitionssbeschluss „jeder langfristigen Planung“ entbehre.

Unter Gymnasiallehrern mehren sich deshalb die Stimmen für ein Moratorium. „Wir dürfen die Sache nicht ohne Not übers Knie brechen“, sagt Hans Voß, der auf der heutigen Personalversammlung im Institut für Lehrerfortbildung den Aufschub beantragen will. Die Versammlung wird ohnehin mit Spannung erwartet: Schulsenator Rudolf Lange (FDP) hat sein Erscheinen angekündigt.

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