: Madagaskar droht der Zerfall
Verfassungsgericht erklärt Oppositionsführer Ravalomanana zum Präsidenten. Anhänger seines Vorgängers Ratsiraka, der den Richterspruch nicht anerkennt, wollen nun in einzelnen Landesteilen die Unabhängigkeit ausrufen
ANTANANARIVO afp/taz ■ Der selbst ernannte Präsident von Madagaskar, Marc Ravalomanana, ist gestern zum offiziellen Sieger der Präsidentschaftswahl vom 16. Dezember 2001 erklärt worden. Das Verfassungsgericht in der Hauptstadt Antananarivo gab bekannt, er habe 51,46 Prozent der Stimmen erhalten, gegenüber 35,9 Prozent für seinen Vorgänger Didier Ratsiraka.
Die Neuauszählung der Stimmen war nötig geworden, nachdem die beiden Politiker sich in den vergangenen Monaten nicht über das Wahlergebnis einig wurden. In einer anderen Zusammensetzung hatte das Verfassungsgericht Ravalomanana am 25. Januar weniger als 50 Prozent gegeben und eine Stichwahl gegen Ratsiraka angesetzt. Ravalomanana erkannte dies nicht an, weil unabhängige Zählungen ihm die absolute Mehrheit gaben, und rief sich am 22. Februar einseitig zum Präsidenten aus. Ratsiraka zog aus der Hauptstadt in die Küstenstadt Taomasina und organisierte eine Wirtschaftsblockade gegen die Hauptstadt, die im zentralen Hochland der madegassischen Insel liegt. Seitdem hatte Madagaskar faktisch zwei Regierungen. Bei Unruhen kamen etwa 35 Menschen ums Leben.
Am 18. April hatten sich die beiden Politiker bei einem Treffen in Senegal geeinigt, die Stimmen neu auszuzählen. Sollte keiner der beiden die absolute Mehrheit erhalten, würde ein Referendum über das Präsidentenamt entscheiden. Doch Ratsiraka löste danach die Straßenblockaden um die Hauptstadt nicht auf, und Ravalomananas selbst ernannte Regierung blieb im Amt. Ende letzter Woche sagte Ratsiraka, er werde den Spruch des Verfassungsgerichts nicht anerkennen, da seine Zusammensetzung von Ravalomanana geändert worden sei. Im Abkommen vom 18. April war das neue Verfassungsgericht allerdings anerkannt worden. Ratsirakas Äußerung wurde allgemein als Todesstoß für das Abkommen gewertet.
Mit der Bestätigung von Ravalomananas Sieg droht nun eine Spaltung Madagaskars. Ravalomanana kontrolliert nur zwei der sechs Provinzen des Landes, Antananarivo um die Hauptstadt im Hochland und Fianarantsoa im Südosten. Die anderen werden von Ratsiraka-Anhängern regiert. Zwei von diesen haben bereits mit Sezession gedroht, sollte Ravalomanana Präsident Madagaskars werden.
Gestern Nachmittag sagte Jean-Robert Gara, Gouverneur der nördlichen Provinz Antsiranana, er werde „das Schicksal Antsiranas in die Hand nehmen und die Unabhängigkeit erklären“. Etienne Razafindehibe, Gouverneur der nordwestlichen Provinz Mahajanga, sagte, er rechne mit „Gewaltausbrüchen“ seitens der Anhänger Ratsirakas.
D. J.
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