piwik no script img

„Es bleiben tiefgreifende Spuren“

Lange hat er geschwiegen. Nun spricht der Beinahe-Bundestrainer und ehemalige Kokainkonsument Christoph Daum wieder. Im taz-Interview gibt der 48-Jährige seiner Hoffnung auf einen baldigen Freispruch Ausdruck

Christoph Daum redet wieder: über sich als gallischen Widerstandskämpfer. Im Interview rechnet der Ex-Fastbundestrainer nach dem 29. Verhandlungstag vor dem Landgericht Koblenz in der Kokaincausa jetzt mit einem Freispruch. Zumal ihn ein Gutachter entlastet: Daum, so der Münchner Rechtsmediziner Hans Sachs am Dienstag, könne nur gelegentlicher, aber „kein intensiver Konsum“ von Kokain nachgewiesen werden.

taz: Sie sind nach diesem Tag wohl spontan ausgelassen in den Mai getanzt?

Christoph Daum: Für Freudentänze ist es zu früh. Aber es ist belegt worden, dass das Kölner Gutachten, das der Anklage zugrunde liegt, mit Fehlern behaftet ist.

Dennoch: Sie haben gekokst.

Gelegentlicher Kokainkonsum ist nicht strafbar. Den habe ich auch zugegeben und mich dafür entschuldigt. Erwerb, Besitz oder gar Anstiftung zum Handel wurde nie nachgewiesen. Staatsanwalt Dr. Angerer hat unter Zeugen zu mir gesagt: Falls das Kölner Gutachten fehlerbehaftet ist, wird er auf Freispruch plädieren.

Bis dahin müssen Sie weiter ein- bis zweimal wöchentlich aus Istanbul einfliegen.

Bestraft fühle ich mich wirklich mehr als genug. Wenn wir sonntags gespielt haben, bin ich um 6 Uhr nach Frankfurt geflogen und habe versucht, hier um 9 so gerade reinzurauschen. Schlafen war da nicht. Sogar das türkische Pokalfinale ist verlegt worden, weil hier Termin war.

Auch in der Türkei ist man von Koblenz genervt.

Als wir Erster waren, hat keiner was gesagt. Jetzt sind wir Dritter geworden. Das ist nichts in der Türkei. Ob es bei Besiktas weitergeht, ist nicht klar. Erst muss das hier zu Ende sein.

Vorher droht Viererlei: Freiheitsstrafe, Geldstrafe, der Makel der Vorstrafe und der Entzug der DFB-Trainerlizenz.

Ausschließen kann man noch nichts, theoretisch. Schlimmer für mich war anderthalb Jahre lang, wie aus dem unzutreffenden Gutachten alle Medien ihre martialischen Berichte aufgebaut haben. Auch bei einem Freispruch bleiben tiefgreifende Spuren.

Neulich hatten Sie ein Asterix-Heft als Lektüre dabei. Da haben wir schon auf den Beweisantrag Ihrer rührigen Verteidigercrew gewartet, festzustellen, ob nicht statt Kokain ein listiger Mispelwurz-Zaubertrank Ihre Droge war.

Asterix ist ein Relikt meiner Jugendzeit – und ich mag es immer noch. Heute steht das kleine gallische Dorf symbolisch für meine Anwälte und mich. Einen Zaubertrank haben wir zwar nicht, aber viel Energie und Ausdauer. Wir haben gesagt: Wir lassen uns von Rom, sprich Koblenz, nicht zermürben.

Und wer sind Sie im gallischen Dorf?

Dick bin ich nicht …

statt Obelix passt auch Asterix besser. Sie sind die Hauptperson!

Hhm. Asterix würde sich gut anhören. Aber ich will mich nicht zu wichtig machen.

Auch wenn alles mit einer zu verschmerzenden Geldstrafe ausgeht, der Trainer Daum als Vorbild …

… ist ramponiert, keine Frage. Da kann ich nur die Zeit für mich arbeiten lassen.

Bundestrainer ist wohl nicht mehr denkbar.

Nein, das kann ich mir auch mit großer Fantasie nicht vorstellen.

Bundesligatrainer?

Das ist vorstellbar.

Wer wird deutscher Meister?

Alle drei werden ihre Spiele gewinnen.

Aber die Daumen drücken Sie doch Leverkusen.

Ich habe in der Mannschaft noch viele Spieler, die ich mitgeformt habe. Diese Verbindung wird immer bleiben und da fühle ich die Tragik mit, wenn sie wieder so knapp vorbeischrappen. Ich würde mich aber auch mit Matthias Sammer riesig freuen. Mit dem war ich Weihnachten noch in Urlaub. Im Grunde kann ich mich doppelt freuen.

Aber nicht dreifach.

Um Gottes willen. Bayern? So weit geht meine Gefühlswelt nicht.

INTERVIEW: BERND MÜLLENDER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen