DEN GRÜNEN GEHT ES GUT. DOCH IHR PARTNER IST UNZUVERLÄSSIG: Das größte Problem ist die SPD
Das Problem der Grünen ist rot. Wenn die jetzige Koalition im Herbst scheitert, liegt es den aktuellen Umfragen zufolge an der Schwäche der SPD. Für die Grünen bedeutet ihre Stärke schon mal einen ziemlichen Erfolg – aber einen Erfolg, der sie hilflos zurücklässt.
„Wiesbaden“ war ein Parteitag im Schonwaschgang. So pfleglich ist die grüne Basis selten mit ihrer Führung umgegangen. Von Trittin bis Fischer, von Künast bis Roth gab es kaum einen grünen Spitzenpolitiker, der das Rednerpult ohne stehenden Applaus der Delegierten verlassen musste. Das Wahlprogramm ging nicht nur problemlos durch, sondern fiel dabei sogar weniger glatt gebügelt aus, als es manche befürchtet hatten. Trotz der Angst vor einem neuen Fünf-Mark-Beschluss haben die Delegierten an urgrünen Forderungen festgehalten: an der Legalisierung weicher Drogen, der Abschaffung der Abschiebehaft und höheren Hürden bei der Telefonüberwachung.
So fehlerfrei der Parteitag verlief – gegen die Schwäche der Sozialdemokraten blieb auch er machtlos. So erfreuen sich die Grünen derzeit an ihren Konkurrenten mehr als an ihren Koalitionspartnern. Was Fischer und Roth gegen Stoiber und Westerwelle ins Feld führen wollen, wissen sie. Wie sie mit Schröder und Müntefering umspringen sollen, scheint ihnen selbst ein Rätsel. Der Treueschwur des Kanzlers zu Rot-Grün war von Anfang an halbherzig. Noch ein, zwei Umfragen mehr, und die SPD wird endgültig auf eigene Rechnung Wahlkampf betreiben. Motto: Gerd muss Kanzler bleiben, egal mit wem.
Den Grünen droht ein Szenario wie aus dem Gruselkino: Ihr einziger Gefährte entpuppt sich als überraschender Gegner. So wenig die Partei diesen Gedanken mag, sie wird sich über unkonventionelle Varianten den Kopf zerbrechen müssen. Kommt die Ampel? Ist Rot-Rot-Grün zu machen? Ansonsten kann sie sich gleich auf ein neues Wahlkampfziel einstellen – eine Kampagne gegen die große Koalition. In einem Fünf-Parteien-Parlament gibt es schließlich nur eine Sicherheit: Für Schwarz-Rot reicht es immer. PATRIK SCHWARZ
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