: Ein wenig Luxus für Berlin
Neben dem Tempodrom eröffnet heute das Liquidrom. Zur Entspannung werden Badende mit Musik berieselt. Für 15 Euro soll man sich fühlen wie im Mutterleib
Berlin ist eine kalte, herzlose Stadt, jeder hier weiß das. Ein depressiver Dauerzustand liegt über den Bewohnern, ein dunkler Unmut, der sich aus Armut, schlechtem Wetter und der allgemeinen Mittelmäßigkeit der Verhältnisse nährt. Die Menschen haben sich eingerichtet in ein Leben zwischen den verschiedenen Schatten des Grau.
Da bricht es schon fast wie ein wundersames Natureignis über die Stadt herein, wenn plötzlich einer aus Thüringen daherkommt mit frischer Zuversicht, warmen Worten und einem Sack voll Geld – wo doch jeder denkt, Thüringen, da wäre es noch schlimmer. Der Mann heißt Klaus-Dieter Böhm, betreibt in Bad Sulza ein „Aqua Wellness Bad“ und behauptet seither: „Thüringen ist die Toskana des Ostens.“ Mit diesem herrlichen Selbstbewusstsein hat er nun auch in Berlin für eine Million Euro ein großes Haus gebaut mit allem Schönem, was der Mensch nicht braucht: bunten Lichtern, Entspannungsmusik, Sauna, dampfenden Sprudelbecken, Bartresen, Espressomaschine, Massagebänken, Kosmetiksalon, Wellnessoase und einen Konzertsaal im Wasser. Die „Liquidrom Therme“ Berlin wird heute eröffnet, auf dem Gelände des alternativen Veranstaltungszentrums Tempodrom.
Damit die Bevölkerung diesen hemmungslos leichtfertigen Luxus auch annimmt, wurde gestern zur Pressekonferenz geladen. An einem langen Tisch saß Klaus-Dieter Böhm neben Irene Moessinger, der Betreiberin des Tempodroms, und Micky Rehmann, dem Medienkünstler, der sich nach einem Besuch bei amerikanischen Walen das ganze Konzept der Unterwassermusik überhaupt erst ausgedacht hat.
Hineinführen wollen die drei nun in die Welt verschwenderischen Wohlgefühls. Sätze mit Worten wie „Soundcollage“, „angenehmer Schwebezustand“, „Erlebnis wie im Mutterleib“ lösen sich ab. Moessinger meint, es sei wichtig, in dieser Stadt mit den drei Opernhäusern und der Philharmonie, „in der es nur noch um Einsparungen geht, eine neue Form von Kultur zu entwickeln“. Dann müssen sich die Journalisten blaue Plastiksäckchen über die Schuhe ziehen.
In diesem Aufzug geht der Pressepulk hinein in den Konzertsaal, einen dunklen gewölbten Raum mit Wasserbecken in der Mitte. Im Gesamtkonzept sei man beeinflusst von Japan, dem Orient und der ganzen Welt, erklärt Böhm. Es ist sehr warm. Die Musiker, die vorne am Beckenrand stehen, tun einem ein wenig Leid mit ihren langen weißen Gewändern und sperrigen Instrumenten bei der Hitze. Sie halten Stangen und Trommeln ins Becken, machen ein irgendwie ethnisch klingendes Geräusch, während im Wasser sechs Menschen einander langsam umherschieben. Das Licht wechselt von Blau zu Gelb zu Grün. Man denkt an die Eleganz alter Wasserballettfilme, die sich hier nicht recht einstellen will.
Draußen an der Espressobar wartet dann schon wieder Irene Moessinger. Sie sagt, dass sie sich als ehemalige Krankenschwester besonders freue, „Kultur und Heilung zusammenzubringen“. Ihr Investor aus Thüringen nickt und wippt auf den Zehen: 200 Gäste müssen das Liquidrom jeden Tag besuchen, damit sich der Unterhalt für ihn rechnet.
KIRSTEN KÜPPERS
Als Sonderprogramme bietet das „Liquidrom“ Freitags „Klassik unter Wasser“, Samstags DJs im „Club“ sowie bei Vollmond Livemusik. Geöffnet ist das „Liquidrom“ täglich von 10 bis 22 Uhr, freitags und samstags bis Mitternacht, bei Vollmond bis 2 Uhr morgens. Der Eintritt für zwei Stunden kostet 15 Euro.
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