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off-kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Die Geschichte beginnt beinahe wie ein Film noir: Mitten in der Nacht hält eine Kutsche inmitten strömenden Regens. Ein Mann steigt aus, betritt seine Wohnung und trifft Anstalten zur Abreise, um sich einem im Morgengrauen drohenden Duell zu entziehen. Und während er noch versucht, seiner Vergangenheit zu entfliehen, holt sie ihn in Form eines Schreibens doch unweigerlich ein: „Wenn du diesen Brief liest, bin ich schon tot …“ Regisseur Max Ophüls realisierte den „Brief einer Unbekannten“ nach der Novelle von Stefan Zweig 1948 in Hollywood: ein funkelndes Melodram um eine Amour fou und zwei verpfuschte Leben. Als junges Mädchen verliebt sich Lisa (Joan Fontaine) in ihren Nachbarn, den Konzertpianisten Stefan Brand (Louis Jourdan), und wird ihrer Obsession im Laufe ihres Lebens alles opfern. Brand hingegen verschleudert sein musikalisches Talent, um sich einem Leben als Playboy zu widmen. Louis Jourdan gelingt es, seine Figur stets in einer interessanten Ambivalenz zu halten: Er ist oberflächlich, jedoch so charmant, dass man seinen routiniert vorgetragenen Galanterien manchmal beinahe glauben möchte. Oft erscheint er auch als nahezu tragischer Charakter, der sich der Leere seines Lebens nur allzu bewusst ist – und der sich am Ende doch in die zur hohlen Pose verkommenen Rolle des fröhlichen Lebemanns fügt. Joan Fontaine dagegen ist als Lisa ganz linkische Verlegenheit, dabei verströmt sie eine enorme Liebe, die der Pianist jedoch nie wahrnimmt. Dass Lisa für ihn nur irgendeine Frau ist, zeigt die vielleicht grausamste Kameraeinstellung der Filmgeschichte: Wenn Lisa mit Brand die Treppe zu seiner Wohnung hinaufsteigt, nimmt die Kamera genau jene Position im Treppenhaus ein, aus der Lisa als Jugendliche schon einmal beobachtet hatte, wie der Pianist mit einer anderen weiblichen Bekanntschaft nach Hause gekommen war.

„Letter from an unknown woman“ (OF), 13. 5., 15. 5., Filmkunsthaus Babylon 2

„The phone is dead. Do you hear, Vitus. Even the phone is dead.“ Ein schönes Motto eines wunderschönen und aberwitzigen Horrorfilms um schwarze Messen, moderne Architektur und psychopathische Rache, vorgetragen vom genialen Boris Karloff mit diabolischem Lächeln. Edgar Ulmers „The Black Cat“ (1934) stellte das Ergebnis der überaus kommerziell gedachten Überlegung des Studios Universal dar, die beiden größten Stars des Horrorgenres, Karloff und Bela Lugosi, nach ihren Erfolgen mit „Frankenstein“ und „Dracula“ in einem gemeinsamen Film zu präsentieren. Doch dem klassischen Horror verweigert sich „The Black Cat“ auf intelligente Weise. Wirkt der Film doch eher wie ein verstörender melancholischer Albtraum, wenn Karloff als Architekt und Teufelsanbeter Hjalmar Poelzig in den Kellergewölben seines hypermodernen Hauses von einer hell erleuchteten Glasvitrine mit konservierten Frauenleichen zur nächsten wandert und dabei gedankenverloren seine Katze streichelt. Seine Nemesis findet Poelzig in dem verrückten Psychiater Dr. Vitus Werdegast (Lugosi), der sich am Baumeister rächen will, weil dieser ihm Frau und Tochter abspenstig gemacht hat: ein mit offenem Visier ausgetragenes Duell zweier Psychopathen, die um das Leben gefangengesetzter Gäste nicht nur Schach spielen.

„The Black Cat“, (OF), 10. 5., im Arsenal 2

Sie sei „die letzte Vertreterin der Romantik“, sagt Humphrey Bogart in „Sabrina“ ein wenig spöttisch über die Chauffeurstochter, die sich ihre Liebe zum Industriellensohn nicht einfach mit Geld abkaufen lassen möchte, und liefert damit auch eine schöne Beschreibung des Images von Audrey Hepburn, die das Mädchen aus der Garage so trefflich verkörpert. Eine direkte erotische Verheißung wie die blondierten Sexbomben, die das Fünfzigerjahre-Kino überwiegend dominierten, war die Hepburn mit ihren treu blickenden Rehaugen und dem schlanken Ballerinakörper wohl tatsächlich nicht. Doch mit Natürlichkeit, Sophistication und Chic machte sie stets deutlich, dass es bei Frauen auch immer auf das ankommt, was in der attraktiven Hülle steckt. Und da hatte sie einiges zu bieten – wie schließlich auch der grantelnde Industriemagnat Bogart merken wird.

„Sabrina“, 15. 5., in der Urania

LARS PENNING

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