: Jetzt schnell noch ein Massenstall
BUND-Studie: Trotz der hehren Pläne von Verbraucherministerin Renate Künast werden die Tierproduktionsfabriken immer größer. Der Bauernverband hat angeblich dazu aufgerufen, die Agrarwende durch immer neue Bauanträge zu torpedieren
aus Berlin ROLAND HOFWILER
Von einer Wende bei Massentierzentren ist auf deutschen Bauernhöfen bislang noch nichts zu sehen. Der von Agrarministerin Renate Künast (Grüne) durchgesetzte Ausstieg der Batterie- und Masthaltung für Hennen, Puten und Enten wird von den Landwirten nach wie vor unterlaufen. Gestern legte der Bund für Umwelt und Natur (BUND) in Berlin eine Untersuchung vor, nach der die Kapazität der Anlagen für Massentierhaltungszentren im vergangenen Jahr um bis zu 26 Prozent anstieg. Auch die Zahl der Mastställe für Schweine habe sich im untersuchten Zeitraum erhöht, wenngleich nur um 3,5 Prozent.
Die Autoren der Studie belegen, dass zahlreichen Mastzentren, in denen bereits mehr als 30.000 Tiere eingepfercht waren, von den örtlichen Behörden das Baurecht für noch größere Massentieranlagen zugestanden wurde.
Die Untersuchung erstreckte sich auf landwirtschaftliche Einrichtungen in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und den fünf neuen Bundesländern. Demnach stieg die Zahl der in Unfreiheit gehaltenen Masthähnchen seit 1999 jährlich um 2,5 Millionen Tiere auf insgesamt 49 Millionen an, bei den Legehennen lag die Jahreszuwachsrate bei 1,5 Millionen Tieren, bei Enten immer noch bei einer halben Million.
Der BUND fordert ein generelles Verbot solcher unwürdigen Lebensbedingungen und der Fütterung der Tiere mit Antibiotikazusätzen. Die Gülle aus den Mastzentren belaste zudem das Grundwasser, krisitiert die Umweltorganisation, Gewässer kippten um, giftige Emissionen schädigten Mensch und Umwelt. Die Agrarwende, die Künast seit ihrem Amtsantritt Anfang 2001 immer wieder beschworen hat, drohe zu versanden, sagte BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt, „bevor die viel beschworene Agrarwende richtig begonnen hat“.
Aus der Sicht der Umweltorganisation muss vor allem das Genehmigungsverfahren für Stallbauten geändert werden. Nach Paragraf 35 des Bundesbaugesetzes gibt es nahezu keine Auflagen für Massentierhaltungszentren außerhalb von Ortschaften. Jeder Landwirt kann nach eigenem Gutdünken seine Stallanlagen mit Legebatterien ausweiten – oft subventioniert vom örtlichen Gemeinderat.
Funktionäre des Bauernverbandes haben nach Recherchen des ARD-Magazins „Fact“ ihre Mitglieder aufgerufen, die langfristigen Pläne der Agrarministerin Künast durch immer neue Bauanträge für Mastzentren zu torpedieren oder ihre Anlagen ins Ausland zu verlegen. Nach Informationen des Spiegel baut etwa die im niedersächsischen Vechta ansässige Firma „Big Dutchman“, weltweit größter Hersteller von Geflügelkäfigen und Schweinestallungen, in Russland zahlreiche Mastzentren auf. Andere Mäster haben ihre Tierproduktionsfabriken längst nach Polen und Tschechien verlegt.
Bis Redaktionsschluss der taz lag keine offizielle Reaktion aus dem Agrarministerium zur Studie des BUND vor.
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