Potsdam wird finnisch …

… Berlin bleibt Berlin. Die Brandenburger Genossen wollen die finnische Spitzenschule einführen, Schulsenator Klaus Böger dagegen lehnt eine Strukturdebatte weiter ab

Die sechsjährige Berliner Grundschule ist seit Jahren umstritten. Die CDU will sie verkürzen. Teile der SPD wollen sie lieber verbessern. Nun erhalten die Sozialdemokraten von ihren Genossen aus Brandenburg überraschende Nachhilfe. Die Grundschule dort soll verbessert und verlängert werden. Die SPD-Fraktion des Nachbarlandes beschloss, eine Ausweitung der Grundschule auf neun Jahre zu prüfen.

Brandenburg ist damit das erste Bundesland, in dem aus der Pisa-Studie auch Konsequenzen für die Schulformen erwogen werden. Auch Berlins Schulsenator Klaus Böger (SPD) hat es bislang kategorisch abgelehnt, die Separierung der Schüler in Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien nach Pisa zum Thema zu machen. „Es besteht kein Anlass für eine Strukturdebatte“, bestätigte Böger gestern erneut.

Die SPD in Brandenburg denkt da ganz anders. Der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Ingo Decker, sagte der taz, es dürfe keine Denkverbote geben. Die Pisa-Studie habe den empririschen Beleg dafür gebracht, dass integrative Schulsysteme in der sozialen und der Leistungswirkung gut sind. „Das wollen auch wir: Integration und Exzellenz.“

Die SPD im Brandenburger Landtag hat daher einen Stufenplan beschlossen. Sie will, erstens, die Bildung von Anfang an verbessern – sprich die Kindergärten und Grundschulen in ihrer Bildungsqualität anheben. Zweitens soll die „Weiterentwicklung der mindestens sechsjährigen Schulzeit“ geprüft werden: „Das heißt Prüfung der Umsetzbarkeit einer 9-jährigen gemeinsamen Schulzeit.“

Abgeguckt haben sich die märkischen Sozialdemokraten ihr Modell vom unangefochtenen Spitzenreiter der Pisa-Studie – Finnland. In dem skandinavischen Staat gehen alle Schüler neun Jahre lang auf eine Schule, danach wechseln über 90 Prozent aufs Gymnasium.

Interessant am Ansatz der Brandenburger SPD ist, dass sie Schulformen und die Unterrichtsqualität zusammendenkt. Die bildungspolitische Sprecherin Ingrid Siebke will den Unterricht verbessern – und verweist auf die hervorragenden schulischen Ergebnisse, den die integrative Schule Finnlands damit erbringt. „Ich sehe darin eine Chance, die verkrustete Bildungsdebatte in Deutschland aufzubrechen“, sagte sie, „an den brisanten Vergleichszahlen von Pisa kann niemand vorbei.“

Die Berliner Genossen nehmen das Vorbild Finnland selektiver wahr. Schulsenator Bögers Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung des Unterrichts. Er strebt – zusammen mit Brandenburg – die Entwicklung eines Kern-Curriculums an. Dazu hat er eine Bildungskommission mit dem Chef der deutschen Pisa-Forscher, Jürgen Baumert vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, eingerichtet – auch das gemeinsam mit Potsdam. Nur die Schulform scheut Böger wie der Teufel das Weihwasser.

Immerhin: Kommendes Wochenende bricht Böger nach Finnland und Schweden auf, um sich das skandinavische Schulmodell als Ganzes anzuschauen.

CHRISTIAN FÜLLER

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