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Erholung pur im Alpenland

Auf dem Obersalzberg hat ein Hotel der Sonderklasse seine Pforten geöffnet. Im ehemaligen Führersperrgebiet lockt eine Fusion aus Hideaway, Luxusresidenz und altdeutschem Herrenzimmer

von RÜDIGER KIND

„Der heiße Odem eines Sommertages zittert in der Luft. Auf sanften Schwingen gleitet ein Adler in seinen Horst. Kein Luftzug bewegt den dunklen Tann, weich schmiegt sich die Deutschlandfahne um ihren Mast. Die überwältigende Schönheit des Bergpanoramas lässt auch den weit gereisten Weltenbummler verstummen. Klein und bescheiden fühlt sich der Einzelne eingeordnet in die überwältigende Naturkulisse, deren zwingende Wucht ihn in gläubiges Staunen versetzt.“ Werbepoesie vom Allerfeinsten, aus dem Prospekt eines ganz besonderen Hotels – in einer ganz besonderen Landschaft. In einem der landschaftlich reizvollsten Teile der bayerischen Alpen, zwischen Watzmann, Königssee und Hohem Göll, liegt der Obersalzberg. Einst Adolf Hitlers Lieblingsplatz, wo er und seine Getreuen sich zurückzogen, um in reindeutscher Bergluft Kraft zu tanken für die Herausforderungen des historischen Weltenkampfes. Hier, in der schönsten aller Bergeinsamkeiten, hat der Hotelkonzern Interconti sein neues Luxusresort der Extraklasse fertig gestellt, das Interconti Alpenfestung.

Im ehemaligen „Führersperrgebiet“, wo heute Luxussuiten auf betuchte Gäste warten, stand früher „Haus Bormann“. Wo Golfer mit elegantem Schwung ihr Handicap verbessern, schmiegte sich einst „Haus Göring“ in die satten Matten des Göringhügels, und wo heute im Wellnessbereich die Fit-for-Fun-Gemeinde ihre Muskeln stählt, erhob sich stolz die Zitadelle von Hitlers Alpenfestung: der Berghof, Adolfs „Adlerhorst“. Ein derart geschichtsgesättigter Ort verlangt nach Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Hotelmanager Alfons Freiherr von Orgg: „Wir haben uns natürlich überlegt, ob wir die Vergangenheit dieses Ortes ausblenden sollen. Nach reiflicher Überlegung haben wir uns dann aber dafür entschieden, die Geschichte des Obersalzbergs aufzugreifen und offensiv damit umzugehen.“ Er macht eine kurze Pause, zupft ein Fädchen von der blütenweißen Uniformjacke, die er aus Görings Nachlass ersteigern konnte, und fährt fort. „Kurz – wir haben uns entschlossen, ein Themenhotel zu bauen, in dem der Gast Geschichte hautnah erleben kann. Mit Verteufelungen allein kommen wir heute nicht mehr weiter.“ Eine unbequeme Meinung, gewiss, aber gemäß dieser Philosophie entstand ein exklusives Hideaway, das auch den verwöhntesten Gast durch ausgeklügelte Detaillösungen zu faszinieren weiß. Die naturnah in die Landschaft eingebettete Architektur der ungewöhnlichen Luxusresidenz greift mit ihrem hakenkreuzförmigen Grundriss behutsam Stilelemente der Vorgängerbauten auf. „Wir wollen hier nichts verdrängen und vertuschen, aber warum soll nicht das altindische Hakenkreuzsymbol spielerisch in die moderne Formensprache unserer Architektur eingebunden werden?“, nimmt Freiherr von Orgg den Vorwürfen der Kritiker den Wind aus den Segeln. „Die Postmoderne zeichnete sich doch schon immer durch einen ausgeprägten Hang zum Zitat aus.“

Retrolook beherrscht auch die Innenausstattung der 130 Zimmer und Suiten. Schwere Eichenholzmöbel, hochflorige Auslegware und braun-grüne Brokatvorhänge mit Runenbestickung lassen die gediegene Wohnlichkeit altdeutscher Herrenzimmer wiederauferstehen. 30er-Jahre-Atmosphäre herrscht auch in der Reichsmarschall-Lounge, wo die Gäste in schweren Ledersesseln ihren Cocktail nehmen. Die internationale Klientel scheint das Führerhauptquartier-Ambiente zu genießen. Kein Wunder, dass bei Mixgetränk-Kreationen wie „Blonde Eva“ rasch Kasinolaune aufkommt.

Gastronomisch bietet die Alpenfestung eine große Bandbreite. Ob man sich in den urigen Himmler-Stubn Eintopf aus der Gulaschkanone schmecken lässt oder im piekfeinen Restaurant Salz&Berg diniert, wo der Chefkoch Eberhard Mayl die Gäste mit moderner Fusion-Küche verwöhnt: Seine leichte Küche geht mit Gerichten wie Nazi Goreng eine bayerisch-asiatische Liaison ein, die auch den verwöhntesten Gaumen überrascht. Und wenn dann zum Nachtisch die in originelle Sturmtruppen-Uniformen gewandeten Kellner einen wunderbar luftigen Führerschmarrn servieren, der zwischen Braunau und Wien seinesgleichen sucht, dann lehnt sich der Gast zufrieden zurück und schließt mit einem kleinen Braunen das formidable Mahl ab.

Spitzenhotellerie kommt heutzutage nicht mehr ohne Beauty-Center, Wellness-Bereich und Whirlpool aus. Aber die Alpenfestung wäre kein Themenhotel der Sonderklasse, hätten sich die Betreiber nicht auch auf diesem Gebiet etwas Besonderes einfallen lassen: Der ausgedehnte Ertüchtigungsbereich mit Kraftraum, Gymnastikhalle und Workout-Lounge besticht durch eine zeitgemäße Interpretation des Kraft- durch-Fun-Gedankens. Medizinball, Gymnastikreifen, Rhönrad – auch der ausgefallenste Fitness-Wunsch wird von den blonden Wellness-Maiden im BDM-Outfit prompt erfüllt. Und für stressgeplagte Manager, die in der Weltabgeschiedenheit des Göringhügels innere Einkehr halten und sich für den alltäglichen Überlebenskampf in den Chefetagen rüsten wollen, hält die Betreibergesellschaft ein besonderes Schmankerl parat: im Concentration Camp werden fernöstliche Meditationstechniken rund um Yoga, Zen und Feng-Shui angeboten.

Mitternacht. Geisterstunde. Freiherr von Orgg ruft die Gäste zum großen Zapfenstreich auf die Terrasse. Weit unten im Tal blinken Lichter. Im lodernden Schein der Fackeln erglänzen wie winzige Sterne die Augen der Gäste. Aus dem Dunkel erklingt die Fanfare des Hotelmusikcorps – die klaren und reinen Töne der Trompeten durchschneiden wie Schwerter die Bänder der Nacht.

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