: Guten Abend und bonsoir
Deutsch-französische Freundschaft: Das binationale Nachrichtenmagazin „Arte Info“ versucht mit Inhalten, die beide interessieren, das französische und das deutsche Fernsehpublikum gleichermaßen zu fesseln (täglich auf Arte, 19.45 Uhr)
aus Straßburg MAIK MEUSER
Das ZDF opferte vier Minuten von „heute“, der ARD war das Thema gerade mal drei „Tagesschau“-Minuten wert. „Arte Info“ dagegen hatte, wie nicht anders erwartet, seinen frankophilen Tag. Ihre auf eine Stunde verdoppelte Sendezeit widmete die Nachrichtensendung fast komplett den Wahlen in Frankreich – wie es sich gehört für ein deutsch-französisches Format.
So leicht wie am vergangenen Sonntag fällt die Themenauswahl bei „Arte Info“ selten. Jeden Morgen spricht die Redaktion in Straßburg mit den Korrespondenten in Berlin und Paris die wichtigsten Themen aus beiden Ländern ab. Und jeden Morgen stellen sich aufs Neue die beiden Fragen: Welches französische Thema ist für deutsche Zuschauer interessant – und wie sieht es umgekehrt aus? Manche nationale Topnachricht ruft im Nachbarland Gähnen bis Kopfschütteln hervor. „Arte Info“ lässt viele Themen außen vor, und das tut einem ohnehin reizüberfluteten TV-Gucker ganz gut.
So schlägt das Pendel an einem Tag mehr nach links, am andern mehr nach rechts des Rheins aus, eben mal zum einen, mal zum anderen der beiden Nachbarn, die sich in manchem noch sehr fremd sind – die Arte jedoch zumindest vor dem Fernseher zu vereinen versucht. Thema sein können jedoch Nachrichten aus aller Herren Länder. „Wir schauen von Europa aus in die Welt“, sagt Redaktionsleiterin Waltraud Luschny, die Anfang 2001 zu Arte kam und zuvor das NDR-Niedersachsen-Studio in Oldenburg geleitet hat.
Die Redaktion von „Arte Info“ besteht zu gleichen Teilen aus Journalisten beider Länder. Den medialen Weltblick vollzieht das 56-köpfige Nachrichtenteam deshalb mit einem französischen und einem deutschen Auge. „Das deutsche fragt zuerst: Ist das ein Thema für uns? Dann sucht es nach Filmausschnitten“, sagt Luschny. „Das französische Auge dagegen arbeitet umgekehrt: Es schaut erst nach Bildmaterial – und wenn es keines findet, lässt es ein eigentlich gutes Thema auch mal fallen.“
Der auf dem Bundesratstisch herumpatschende Roland Koch dürfte dieser Bildverliebtheit sicher entgegengekommen sein. Doch stellte der erboste Hesse die Redaktion vor die Frage: Wie präsentiert man das ohnehin komplizierte Zuwanderungsthema samt Koch der französischen Öffentlichkeit, ohne zu weit ausholen zu müssen? Vielleicht hätte es ein französischer Journalist leichter gehabt, seinen Landsleuten den wütenden Ministerpräsidenten zu erklären. Schließlich weiß er viel besser als seine deutschen Kollegen, was er bei seinen Zuschauern voraussetzen kann. Da aber „Arte Info“ eine aktuelle Redaktion ist, bestimmt oft der Zeitdruck die Auswahl der Journalisten. Und so wurde ein Deutscher mit dem Koch-Beitrag betraut.
An manchen Tagen moderiert ein französischer, an manchen Tagen ein deutscher Anchorman aus der für den rechtsrheinischen Zuschauer doch sehr kitschig anmutenden rosa-lila-blassblauen Studiodeko. Mit einem „bonsoir“ und einem „guten Abend“ wird die Sendung eröffnet – weiter geht es dann in der Landessprache des Moderators. Für die jeweils andere TV-Nation übersetzt eine Stimme aus dem Off, was natürlich die Attraktivität und die Dynamik der Sendung enorm bremst. Das ist der Preis der Binationalität.
„Arte Info“ gibt es seit 1998. Das Vorgängerformat hieß „Achteinhalb“ – weil es erstens achteinhalb Minuten dauerte und zweitens um 20.30 Uhr begann. Letzteres hatte sich als ziemlich blöd erwiesen, denn damit startete das Journal zwar noch vor der französischen Prime Time (20.45 Uhr), aber nach Beginn der deutschen (20.15 Uhr). Die Hälfte der Zielgruppe hatte sich um diese Zeit also bereits für ein anderes Programm entschieden – und davor eh die „Tagesschau“ gesehen. „Arte Info“ dagegen läuft nun eine Viertelstunde vor dem sakrosankten ARD-Flaggschiff an und zeigt bis 20 Uhr die wichtigsten Nachrichten; nach acht, in der zweiten Viertelstunde, laufen dann Reportagen und Interviews zu europäischen Themen.
Arte-Chefredakteur Gérard Saint-Paul lobt bei „Arte Info“ als Erstes den „kritischen Blick hinter die Kulissen“. Und als Zweites den „jederzeit einsetzbaren Krisenstab von Journalisten, die von den Brennpunkten der Welt berichten“. Nur eines, so scheint es, fehlt noch, um sein Glück komplett zu machen: Zuschauer. Bislang schalten nämlich im Schnitt nur 700.000 Deutsche ein und 400.000 Franzosen. Das Interesse für das andere Land ist offensichtlich noch nicht allzu ausgeprägt. Aber Arte arbeitet dran.
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