piwik no script img

Verbalattacken zum 1. Mai

Die CDU macht Innensenator Körting (SPD) für die Ausschreitungen am 1. Mai verantwortlich. Bush werde geschützt, die Bürger nicht. Alle anderen Fraktionen setzen weiter auf Deeskalation

von PLUTONIA PLARRE

Der 1. Mai ist vorbei. US-Präsident Georg W. Bush kommt. Das eine habe nichts nichts mit dem anderen zu tun, befand Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Den Bush-Besuch mit dem 1. Mai zu vergleichen, sei „wie Äpfel und Birnen miteinander zu verwechseln“. Dreh- und Angelpunkt, an dem sich auch gestern wieder die Emotionen der CDU entzündeten, war das von der Polizei am diesjährigen 1. Mai zur praktizierte Einsatz-Deeskalations-Konzept. „Auf einen potenziellen Attentäter kann man nicht so wie am 1. Mai mit ausgestreckter Hand zugehen“, begründete Körting, warum die Polizei beim Bush-Besuch auf eine massive Präsenz setzen werde. „Das ist eine völlig andere Sicherheitssituation.“

Sich einer differenzierten Sichtweise zu befleißigen, war aber von den Herren der CDU zuviel verlangt. Im Gegensatz zu den Abgeordneten von SPD, PDS, Grünen und FDP, die, egal ob sie Regierung oder Opposition angehörten, dazugelernt zu haben schienen, was die politische Aufarbeitung der 1.-Mai-Randale angeht, übte sich die Riege der CDU in bewährten verbalen Krawallritualen. Das Schema ist aus den Vorjahren bekannt. Neu ist nur, dass diesmal nicht ein CDU-, sondern ein SPD-Innensenator in der Schusslinie steht.

Die Rechnung, die der innenpolitische Sprecher der CDU, Roland Gewalt, gestern aufmachte, sieht so aus: Körting sei schuld an den Plünderungen und Brandstiftungen. Statt das Ruder herumzureißen, als die Krawalle begannnen, habe er „krampfhaft“ am Konzept der ausgestreckten Hand festgehalten „um sein Gesicht zu wahren“. Den Kreis zum Bush-Besuch schloss Gewalt mit dem Verweis, dass Körting sein Deeskalationskonzept am 22./23. Mai „in die Schublade packen und zur alten Polizeitaktik zurückkehren“ wolle. Für die Sicherheit des Staatsgastes, wandte sich Gewalt an Körting, „werden optimale Vorkehrung getroffen. Den Bürgern versagen Sie diese aber. Das ist der Vorwurf, den wir gegen Sie erheben.“

Der CDU-Hinterbänkler Kurt Wansner, der immer dann dann auflebt, wenn der 1. Mai Thema ist, beschimpfte Körting als „Sicherheitsrisiko und Laufburschen der PDS“ und forderte seinen Rücktritt. Die Polizeiführung habe keine Schuld. „Wir brauchen keine Deeskalation, sondern die ganze Härte des Gesetzes und null Toleranz gegen die Gewalttäter“, war man sich in der CDU-Fraktion einig.

Bei so viel Herumgeholze drohten die nachdenklichen Töne unterzugehen. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, hatte es auf den Punkt gebracht: Die Polizei sei auf dem richtigen Weg, nun müssten sich die politischen Kräfte engagieren, um den „Randalekids“ das Wasser abzugraben.

Auch 20.000 Polizisten hätten Krawalle nicht verhindert, sagte Alexander Ritzmann (FDP). Es müssten Alternativen entwickelt werden, um die Straftäter von dem Mitläufern zu trennen. Die innenpolitische Sprecherin der SPD, Heidemarie Fischer, lud alle Parteien ein zum Brainstorming, „auch die CDU, wenn sie bereit ist“.

Aber das sieht zurzeit nicht danach aus. „Die CDU will keine seriöse Debatte“, stellte Udo Wolf (PDS) fest. Statt zu hinterfragen, was wirklich geschehe, reduziere sich die Politik der Konservativen auf „Skandalisierung“ und „Herbeireden von Gewalt“. Das gelte auch für die Demonstrationen gegen den Besuch des US-Präsidenten.

Der CDU-Abgeordnete Roland Gewalt hatte sich zuvor darüber mokiert, dass die „Regierungspartei PDS“ zu einer Großdemonstration aufrufe, bei der zahlreiche Gewalttäter „zu erwarten“ seien.

Körting sagte, er halte unterschiedliche Auffassungen zum Bush-Besuch für legitim, ob allerdings Regierungsmitglieder an den Protesten teilnehmen sollten, sei „eine Stilfrage“.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen