: „Man zeigt auf Araber, um von sich abzulenken“
Aiman Mazyek, Sprecher des Zentralrats der Muslime und FDP-Vorstandsmitglied im Kreis Aachen, über die Aufnahme von Jamal Karsli in die FDP
taz: Herr Mazyek, heute befindet der FDP-Kreisverband Recklinghausen über die Aufnahme des NRW-Landtagsabgeordneten Jamal Karsli, der bis vor kurzem bei den Grünen war und nun durch antisemitische Polemik aufgefallen ist. Wie würden Sie entscheiden?
Aiman Mazyek: Zunächst einmal bedaure ich, dass die FDP wegen der Äußerungen Karslis als antisemitisch dargestellt wird. Das Zusammenleben von Juden und Muslimen sollte nicht unter dem Damoklesschwert des Nahost-Konflikts betrachtet werden. Die Äußerungen von Herrn Karsli schaden der FDP, das sage ich als Parteimitglied und Integrationsbeauftragter. Wir Muslime müssen uns deutlicher als bisher vom Terrorismus distanzieren und Selbstmordattentate verurteilen. Für mich sind sie unislamisch.
Das heißt, die Aufnahme von Herrn Karsli in die FDP wäre ein Fehler?
Es steht mir nicht zu, für die Recklinghauser zu entscheiden, aber sie sollten darüber nachdenken, ob sie sich nicht noch mehr Zeit geben, bevor sie entscheiden.
Herr Möllemann, der Vizevorsitzende der FDP, ist in den vergangenen Wochen ebenfalls durch israelkritische Töne aufgefallen. Sind Sie seinetwegen in die FDP eingetreten?
Nein. Meine Motivation war die Mitgliedschaft des ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis. Bubis stand für die Versöhnung von Muslimen und Juden, und ich weiß von vielen Muslimen, dass sie seinetwegen in die FDP eintraten.
Müssen Sie als Sprecher des Zentralrats der Muslime und als FDP-Mitglied manchmal in zwei Sprachen sprechen, für die jeweilige Klientel?
Gott sei Dank muss ich mich nicht verbiegen. Der Islam ist dem Judentum gegenüber sehr positiv eingestellt. Es wäre gegen den Koran, antijudaistisch zu agieren. Das Problem ist aber, dass es einen Export des westlichen Antisemitismus in die arabische Welt gegeben hat und dass man bei diesem Thema gerne auf die Araber zeigt, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. An die Adresse des Zentralrats der Juden gerichtet sage ich: Vermengen Sie das bitte nicht miteinander. Herr Karsli vertritt nicht den Standpunkt deutscher Muslime. Wir Muslime müssen dagegen selbstkritisch eingestehen, dass es auch unter uns Antisemitismus gibt. Der Nahost-Konflikt ist ein Katalysator dafür. Israel wird dann fälschlicherweise als religiöser und nicht als politischer Staat gesehen.
Was raten Sie Herrn Karsli?
Ich habe ihm geraten, seine Kritik nicht missverständlich zu äußern. Kritik an Israel, das sagt auch meine Partei, muss möglich sein. Das sage ich auch. Die FDP ist die einzige Partei in Deutschland, die das Thema Nahost kontrovers diskutiert. Das soll aber nicht dazu führen, dass man seine Worte nicht sorgfältig wählt.
INTERVIEW: YASSIN MUSHARBASH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen