: Bestrafung und Eindämmung
Hinter den neuen „intelligenten Sanktionen“ der UNO gegen Irak verbirgt sich der Versuch, die Kritik an den Sanktionen zu entschärfen. Auch geht es weniger um eine Neuauflage der Waffeninspektionen, als um eine Änderung des irakischen Regimes
aus Kairo KARIM EL-GAWHARY
Jetzt sind sie doch noch Wirklichkeit geworden, die von Washington und London seit über einem Jahr propagierten „intelligenten Sanktionen“. Die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrates stimmten in der Nacht zum Mittwoch einstimmig für die größte Neuordnung der Iraksanktionen seit acht Jahren. Im Prinzip soll die Einfuhr ziviler Güter in den Irak vereinfacht werden.
Was bleibt, ist die Basis des alten Öl-für-Nahrungsmittel-Abkommens, das den Güterverkehr aus und in den Irak seit 1996 regelt. Danach kann der irakische Staat im Rahmen des Öl-für-Nahrungsmittel-Programmes Öl verkaufen. Die Einkünfte fließen auf ein von der UN verwaltetes Konto. Im Gegenwert darf der Irak Güter bestellen. Bisher musste jede Bestellung von einem UN-Sanktionskomitee abgesegnet werden. Das dauerte oft lange, und bis zuletzt gab es Bestellungen im Wert von fünf Milliarden US-Dollar, die zu 90 Prozent von den amerikanischen und britischen Vertretern im UN-Sanktionskomitee blockiert wurden.
Kern der Neuregelung ist eine 332-seitige Liste mit Gütern, die auch militärisch genutzt werden könnten. Nur noch Lieferverträge über diese Waren bedürfen fortan internationaler Zustimmung. US-Vorschläge, zusätzlich den Schmuggel in den Irak stärker zu kontrollieren, fanden bei anderen UN-Sicherheitsratsmitgliedern keine Zustimmung.
Im Weißen Haus wurde diese Neuregelung als „ein Schritt vorwärts für das irakische Volk bezeichnet“. Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer begrüßte gestern die Neuregelung. Damit werde die Lieferung ziviler Güter in den Irak nochmals wesentlich erleichtert, erklärte er. Der UN-Vertreter des Irak, Muhammad Aldouri, bezeichnete den Sicherheitsratsbeschluss als „weitere Schikane für das irakische Volk“. Er fordert eine völlige Aufhebung der Sanktionen.
Tatsächlich hängt eine Bewertung der Neuregelung von der Perspektive ab. Unbestritten ist, dass nun die Einführung ziviler Güter einfacher wird, wenngleich die neue Liste so genannter zweifach zu nutzender Güter (militärisch und zivil) weiter zu Kontroversen führen wird.
Entscheidend ist aber auch die Frage, inwieweit das UN-Sanktionsregime noch praktikabel ist. In den letzten Jahren sind die Sanktionen weltweit in die Kritik geraten. Beobachter sehen die Neuregelung als den amerikanischen und britischen Versuch an, das Sanktionsregime ein wenig reformiert über die Zeit „zu retten“. Dass Sicherheitsratsmitglieder wie Russland zugestimmt haben, können die USA als Erfolg verbuchen. Angeblich hat Washington Russland den Deal versüßt, indem es im Sanktionskomitee blockierte russische Verträge für Lieferungen in den Irak im Wert von 200 Millionen Dollar freigegeben hat.
Im Raum steht auch die Frage, was vom Irak international erwartet wird. Für die britische Irakspezialistin Sarah Graham Brown setzen die USA die Sanktionen nicht so sehr deswegen ein, um bestimmte Anforderungen in Sachen UN-Waffeninspektionen durchzusetzen, sondern als „Form der Strafe und der Eindämmung“. Tatsächlich vermischt sich das in den UN-Resolutionen fixierte Ziel eines von Massenvernichtungswaffen freien Iraks immer mehr mit dem vor allem von den USA propagierten Ziel, Saddam Hussein zu stürzen. „Die US-Politik hängt nicht davon ab, was die UN-Waffeninspektoren machen“, sagte US-Außenminister Colin Powell kürzlich. Die USA hielten sich jede Option offen und würden tun, was sie für richtig hielten, um eine Änderung des irakischen Regimes zu erreichen. Nicht gerade aufmunternde Worte an Saddam Hussein, sich auf eine neue UN-Kontrolle seiner Waffensysteme einzulassen.
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