sympathisieren, kritisieren etc.: Hat sich der Schriftsteller Nagib Mahfuz für Selbstmordattentate ausgesprochen?
Stille Post aus Kairo
„Ich bin in jeder Art von Krieg gegen die Ermordung von Zivilisten“, antwortete der ägyptische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Nagib Mahfuz auf die Frage, ob er palästinensische Selbstmordanschläge gegen Zivilisten befürworte. Der 90-Jährige verwehrte sich damit vor deutschen Pressevertretern in Kairo gegen Berichte, er habe einen Brief an US-Präsident George W. Bush geschrieben, aus dem er mit den Worten zitiert wird: „Die Selbstmordattentäter haben eine sehr großartige Sache vollbracht.“ Er habe nie einen solchen Brief geschrieben, noch habe er jemals die Idee dazu gehabt, erklärte Mahfuz jetzt.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte am 13. 5. von diesem Brief berichtet, der in Auszügen in der ägyptischen Presse zitiert worden sein soll. Tatsächlich handelt es sich eher um einen Fall von „Stille Post“. Ausgelöst hatte das Ganze ein Interview mit Mahfuz in dem ägyptischen Magazin Sabah Al-Kheir vor zwei Wochen. Darin wurde der Schriftsteller gefragt, ob er eine Botschaft für den US-Präsidenten habe. Darauf antwortete Mahfuz allgemein, dass die USA ihre Macht gerecht anwenden müssten. Amerika müsse auch begreifen, dass Widerstand gegen Besatzer legitim sei. Hätten die Palästinenser Waffen, würden sie mit diesen kämpfen, da sie jedoch keine hätten und einer Ungerechtigkeit ausgeliefert seien, gäbe es für manche keine andere Lösung, als den Märtyrertod zu sterben. Das sei eine der nobelsten Formen des Widerstandes.
Mahfuz hatte in diesem Interview nicht klar gemacht, ob seiner Meinung nach Zivilisten oder Militärs das Ziel dieses Widerstandes sein sollten. Die nicht gerade für ihre Professionalität bekannte englischsprachige Egyptian Mail, auf deren Informationen offensichtlich der FAZ-Artikel beruht, vereinfachte Mahfuzes Botschaft an den US-Präsidenten mit den Worten, dass der Literaturpreisträger die Taten der Selbstmordattentäter generell als großartige Tat bezeichnet habe. In der FAZ wurde aus der Botschaft auch noch ein realer Brief an Bush, der in der ägyptischen Presse nicht weiter kommentiert worden sei.
Schon deshalb versucht Mahfuz, seine Position gegenüber den deutschen Medien zu klären. Offensichtlich sei Land der Palästinenser besetzt, und jeder Widerstand gegen die Besatzung sei auch von der UNO legitimiert, erklärte er. Sich selbst dabei zu opfern, so Mahfuz, müsse mit Sympathie, Bewunderung und Unterstützung beantwortet werden.
Übrigens hat er selbst vor acht Jahren nur mit Glück ein Attentat überlebt. Ein militanter Islamist hatte Mahfuz vor dessen Haus niedergestochen und später argumentiert, dass seine Werke unislamisch seien.
KARIM EL-GAWHARY
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