: Guter Rat wird teurer
Das Hamburger Expertinnen-Beratungsnetz bietet einen neuen Service: Das Mentoring. Das bedeutet auch höhere Beiträge der Ratsuchenden
von PEGGY WOLF
Der berufliche Weg ist oftmals steinig – besonders für Frauen. Für die einen gilt es erst einmal einzusteigen, für andere, umzusteigen. Und ganz besonders schwer haben es Frauen, die den Chefsessel ins Auge gefasst haben. Zahlreiche Berufsberatungen werben an „sämtlichen Ecken“ mit Konzepten und Perspektiven – aber nur eine mit Erfahrung und jetzt auch mit längerer Begleitung: das Hamburger Expertinnen-Beratungsnetz.
Es wurde 1989 von der Erziehungswissenschaftlerin Prof. Angelika C. Wagner (57), der Psychologin Sabine Podolsky (58) und 30 gestandenen Expertinnen gegründet. „Den jungen Frauen von heute fehlt es weder am Selbstbewusstsein noch am Selbstvertrauen, es fehlt ihnen naturgemäß an Erfahrungen – am Know-how“, erklärt Angelika C. Wagner. Die meisten Expertinnen waren 20 Jahre oder länger in gehobenen Positionen ganz verschiedener Branchen tätig. Auf ihrem Weg haben sie Wissen gesammelt, dass nicht in Datenbanken oder Projektberichten, sondern nur in Herz, Kopf oder Bauch gespeichert wird. Und daraus ergibt sich die heutige Vielfalt der Beratung für sämtliche Bereiche, u.a. Wirtschaft, Kultur/Medien, Technik, Medizin.
Die aktiven Fachfrauen bilden sich selbst ständig weiter, damit die Tipps für morgen nicht von gestern sind und sehen die Beratung als ihre wichtigste und darüber hinaus auch sehr erfüllende Aufgabe an. Vorrangig junge Frauen zwischen 20 und 50 Jahren kommen zu ihnen. Im letzten Jahr waren es über 500. „Frauen haben meist sehr klare Vorstellungen darüber, welches berufliche Ziel sie anstreben wollen. Was sie oft nicht wissen, ist, wie der Berufsalltag wirklich aussieht und welche Hindernisse und Stolpersteine ihnen in den Weg gelegt werden könnten“, sagt Medizinerin Christine Korenke (71). Sie arbeitete im Krankenhaus für Alterserkrankungen und Rehabilitation in Geesthacht als Oberärztin. Heute berät sie junge Medizinerinnen, die im Gesundheits- oder Krankenhausmanagement einsteigen, aufsteigen, umsteigen oder weitermachen wollen, denn viele „frische“ Absolventinnen wählen gar nicht mehr den klassischen Arztberuf.
Die Expertinnen geben jeder Ratsuchenden individuelle und praktische Tipps für die Bewerbung, suchen nach neuen, gangbaren Wegen und machen Mut, den Arbeitsalltag zu meistern, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.
Die ehemalige Chefsekretärin Annemarie Weighardt (71) kam vor fünf Jahren zum Netz. Seither ist sie die Beraterin junger Frauen, die ins Büromanagement wollen. „Sekretärin ist ein anspruchsvoller Beruf, der leider häufig unterschätzt wird.“ Sie rät den Frauen, die zu ihr kommen, sich mit einer fundierten Ausbildung darauf vorzubereiten. Zuverlässige Sekretärinnen, die mit Fingerspitzengefühl handeln und flexibel arbeiten, haben nämlich keine schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Inzwischen Arbeitsstelle der Universität Hamburg, finanziert sich das Expertinennen-Beratungsnetz über die Stadt Hamburg, die Universität Hamburg und durch Kostenbeiträge, die die Ratsuchenden aufbringen. Guter Rat wird aber teurer und wird bald einen „Obolus“ mehr kosten. Seine Höhe wird nach Auskunft von Prof. Wagner im Moment noch diskutiert. Von dem Geld wird der neue Service – das Mentoring – bezahlt. Dieses schließt nicht nur ein- oder mehrmalige Beratungsgespräche wie bisher ein, sondern bei Bedarf, die längere Begleitung über ein halbes oder ganzes Jahr. Außerdem muss neues Büropersonal eingestellt werden, um die Anfragenschwemme zu bewältigen. Die Expertinnen arbeiten weiterhin ehrenamtlich.
Die Idee, dass Alt Jung hilft, ist in den letzten 13 Jahren so erfolgreich, dass in Städten wie Berlin, München, Köln, Bremen und Dresden eigenständige Geschäftsstellen entstanden sind.
Expertinnen-Beratungsnetz Hamburg, Brucknerstraße 1, 22083 Hamburg, Tel.: 29 10 26, Fax: 29 24 89, Internet: www.expertinnen-beratungsnetz.de, E-Mail: expertinnen@uni-hamburg.de
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