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Expeditionen in die Außenwelt

■ Nicht nur, wenn die Helgoländer Fotografin Lilo Tadday ihre „Innenwelt“ verlässt, hat sie stets ihr drittes Auge dabei: die Kamera. „Kunst“ ist nicht ihr Ding. Dafür knippste sie schon in Uganda, auf den Philippinen und jetzt auch im südlichen Eismeer

u Deutschlands vermutlich winzigster Fotogalerie, der Hummerbude 36, gelangt man nur übers Wasser – schwimmend oder fliegend. Mitten in der wogenden Nordsee ragt – ungeschützt den Naturgewalten ausgeliefert – die bis zu 60 Meter hohe Klippe Helgoland. Ein stolzer roter Felsen, der bisher unerbittlich menschlicher, als auch der Zerstörungswut des Meeres trotzen konnte. Ein Eiland, das Dichter, Denker und Maler ebenso wie Militärstrategen inspirierte. Ein Ort des Zwiespalts und der Widersprüche. Ein Altar der Freiheit, aber auch eine Enklave, die einengt und inmitten der Weite und Tiefe und Unergründlichkeit des Wassers Grenzen setzt. Das ist Lilo Taddays „Innenwelt“.

Die 53-jährige Fotografin lebt hier seit einem Vierteljahrhundert und ist immer noch fasziniert von ihrer Wahlheimat, ihrer „Insel des Lichts“. Die kann sie nicht oft genug fotografieren, denn das Licht und dessen Reflexionen im Wasser, am Felsen, über Tiere, Pflanzen, Menschen bringen ein Universum an Variationen hervor, die festzuhalten ein gewöhnliches Menschenleben wohl nicht ausreicht.

Lilo Tadday lebt jeden Tag neu, will man meinen, entdeckt mit kindlicher Neugier und andächtiger Freude Details, auf die sie ihren fotografischen Bannstrahl legt – durch ihren ganz persönlichen Blickwinkel, unterstützt durch profane Bildtechnik. Somit hat sie sich ihr eigenes „drittes Auge“ geschaffen. Dabei bezeichnet sie sich selbst eher als „Handwerkerin“ denn als Künstlerin. „Was ist das denn, Kunst?“, fragt Tadday. Ihre Fotoarbeiten, zu hunderten auf 15 Quadratmetern „Hummerbude“ aufgehängt, ausgestellt und gestapelt, geben darauf eine Antwort. Kaum eines, das nicht Assoziationen beim Betrachter hervorruft, kaum eines, das nicht in irgendeiner Weise berührt und Lust darauf macht, die „Foto-Handwerkerin“ persönlich kennen zu lernen. Das wiederum ist kein Problem, denn Lilo Tadday ist vor Ort und weiß zu jedem Bild eine Geschichte zu erzählen. Wenn, ja wenn sie nicht gerade auf Expedition in die „Außenwelt“ ist. Lilos „Außenwelt“, das sind nicht relativ nahe Punkte wie Hamburg oder Bremen, sondern die ganze Welt, beispielsweise Afrika, Asien oder die Antarktis. In Uganda fotografierte sie Lepra- und Aidskranke im Auftrag des Deutschen Aussätzigen-Hilfswerks, auf den Philippinen oder Sri Lanka arbeitete sie für die GTZ. Alles Aufgaben im Namen des Handwerks, aber derart sensibel und persönlich beobachtet, dass es schließlich als Kunst wahrgenommen wird.

Die letzte große Reise der Fotografin ging im vergangenen Jahr auf Einladung des Alfred-Wegener-Instituts Bremerhavenins ins südliche Eismeer . Vier Wochen mit dem Forschungsschiff „Polarstern“ unterwegs, ließ sie sich ganz auf das Naturphänomen Eis ein.

Sie habe ein Brücke schlagen wollen zwischen wissenschaftlicher Messbarkeit und künstlerischem Ablichten der Natur. So beantwortet Lilo Tadday doch noch die Frage nach Kunst in ihrer Berufung: „Die Fotografien gehen über eine rein ästhetische Abbildung hinaus.“ Vielleicht sei es ja das. Die Eislandschaften sind zurzeit in China, im 200 Kilometer von Peking entfernten Tianjin ausgestellt und sollen in nächster Zeit auf Wanderausstellung gehen.

Im Lande kann man sich die Abbildungen der bizarren Farb- und Formspiele im Polarmeer bis Ende Mai im AWI in Bremerhaven, Bussestraße 24 ansehen. Sandor Nadelmann

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