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US-Regierung: Hinweise „zu vage“

In den USA wächst der Druck auf die Regierung, mögliche Versäumnisse der Geheimdienste vor den Anschlägen des 11. September 2001 aufzuklären. Verschiedene Warnungen über Flugzeugentführungen führten zu keinerlei Konsequenzen

von BERND PICKERT

Neue Enthüllungen heizen in den USA die Diskussion über ein Versagen der Geheimdienste vor den Anschlägen vom 11. September vergangenen Jahres weiter an. In einem Artikel der New York Times von gestern wird berichtet, Justizminister John Ashcroft und FBI-Chef Robert S. Mueller hätten schon wenige Tage nach dem 11. September erfahren, dass es im Juli 2001 ein FBI-internes Memorandum eines Agenten aus Phoenix gab, der davor warnte, Terroristen könnten sich möglicherweise an US-Flugschulen zu Piloten ausbilden lassen. Kongressabgeordnete und Senatoren, die Aufklärung über mögliche Versäumnisse verlangen, wollen nun wissen, warum die Existenz des Memorandums erst jetzt bekannt gegeben wurde. Mueller und Ashcroft haben sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert – ein Sprecher des Justizministeriums sagte jedoch, Ashcroft sei frühestens vor einem Monat detailliert über das Phoenix-Memorandum unterrichtet worden.

Der demokratische Senator Patrick Leahy aus Vermont, Vorsitzender des Rechtsausschusses, hat inzwischen gefordert, das FBI solle alle Personen benennen, die vor dem Anschlag von dem Memorandum wussten. Präsidentensprecher Ari Fleischer beeilte sich nachzutragen, dass auch George W. Bush erst vor wenigen Wochen von der Existenz dieses Dokumentes erfahren habe. Das hatte in der vergangenen Woche auch schon Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice gesagt.

Mueller hat unterdessen zugestanden, dass die Nichtbeachtung des Memorandums Lücken im System aufzeigt, gesammelte Informationen auch auszuwerten und zu analysieren. Allerdings sei der Vorschlag des Agenten, sich alle Flugschulen in den USA genau anzusehen, praktisch nicht umzusetzen gewesen – immerhin gebe es in den USA mehr als 2.000 Flugschulen mit mehr als 20.000 Schülern. Das Memorandum sei zudem auf keine spezifischen Personen eingegangen – die beobachteten Flugschüler in Phoenix hatten mit den Attentaten nichts zu tun.

Das Phoenix-Memorandum scheint eine von zwei Warnungen gewesen zu sein, die vor dem 11. September existierten, aber zu keinerlei Konsequenzen führten. Am 6. August war Präsident Bush bei seinem täglichen Briefing durch die Geheimdienste über mögliche Flugzeugentführungen durch Al-Qaida-Mitglieder in den USA informiert worden. Sprecher des Weißen Hauses sagen, der Hinweis sei zu vage gewesen, um zu handeln.

Unter Druck steht auch die Bundesbehörde für den Flugverkehr (FAA). Sie war vor dem 11. September von der Verhaftung des Flugschülers Zacarias Moussaoui informiert worden, der jetzt als möglicher 20. Attentäter vor Gericht steht, hatte aber keinerlei Warnung an die Fluggesellschaften weitergeleitet. „Wir erhielten keine Informationen darüber, dass er mit anderen zusammenarbeitete, deshalb haben wir nichts unternommen“, sagte ein FAA-Sprecher. Transportminister Norman Mineta sollte gestern vor einem Senatsausschuss aussagen.

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