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Mainz bleibt doch nicht Mainz

Chef der Bundesanstalt für Arbeit erwägt bundesweite Ausdehnung des Hamburger Modells zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen. Er kündigt zudem verstärkten Druck auf die an, „die die Zeit ohne Job als Sabbat betrachten“

von PETER AHRENS

Florian Gerster betätigt sich als Taufpate: Er hat einen Namensvorschlag, wie das Hamburger Modell von Wirtschaftsbehörde und Arbeitsamt künftig heißen könnte: „Mainzer Modell, römisch zwei.“ Schließlich war der oberste Arbeitsvermittler der Republik im früheren Leben SPD-Arbeitsminister in Rheinland-Pfalz und hat dafür gesorgt, dass das so genannte Mainzer Kombilohnmodell zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen mittlerweile bundesweit angeboten wird. Da aber Hamburg mit seinem eigenen Konzept erfolgreicher ist als der Bund, erwägt Gerster nun, das Modell bundesweit einzuführen.

Gerade einmal fünf Hamburger Arbeitslose haben seit Einführung des Bundesmodells am 1. März von ihm Gebrauch gemacht. Die zeitgleich gestartete Hamburger Alternative hat bisher immerhin 55 Menschen Jobs verschafft – auch dies ist allerdings keine Zahl, die die ArbeitsverwalterInnen zum Jubeln bringt. „Nicht berauschend“, ist Gersters Bilanz nach zwei Monaten Kombilohn im Bund. Der Weg, den Hamburg geht, sei praktikabler. Das Modell sei einfacher, von nicht so vielen Regelungen durchzogen und setze zudem bei ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen an. „Insofern bin ich durchaus eifersüchtig auf das, was Hamburg macht“, sagt der Chef der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit.

Dagegen erteilte er dem Vorstoß von Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) eine Absage, der auf Landesebene den Kündigungsschutz für ältere ArbeitnehmerInnen lockert, um für Unternehmen Anreize zu schaffen, auch Menschen jenseits der 50 einzustellen. „Man sollte den Kündigungsschutz nicht zum Dreh- und Angelpunkt einer fortschrittlichen Arbeitsmarktpolitik machen“, kommentiert er schmallippig. Zudem halte er „das Gut eines sicheren Arbeitsplatzes im Kern für schützenswert“, legt er nach.

Gerster prophezeite dem Hamburger Arbeitsmarkt für die Zukunft „dramatische Veränderungen“. So erlebe zum Beispiel das in der Hansestadt stark vertretene Dienstleistungsgewerbe momentan „Rationalisierungswellen, die die Industrie und der produzierende Sektor längst hinter sich haben“.

Der neue Mann an der Spitze der Bundesanstalt – auch einer der forschen Sprüche: Gerster kündigte eine härtere Gangart der Arbeitsämter gegen „eine Orientierungsarbeitslosigkeit im großstädtisch-akademischen Milieu“ an, die „die Zeit ohne Job als eine Art Sabbat betrachtet“.

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