: Verlegerische Freiheit, die ich meine
Die „Frankfurter Rundschau“ hat sich geweigert, eine Anzeige mit einem Bush-Demonstrationsaufruf zu drucken
Georg Gafron müsste dieser Tage eigentlich mit einer Reihe von Friedensinitiativen und Globalisierungsgegnern mitfühlen. Dabei hat der Chefredakteur des Berliner Boulevardblattes B. Z. sonst nicht viel am Hut mit Gruppen wie Attac oder dem Kasseler „Friedensratschlag“. Dennoch teilen sie dasselbe Schicksal: Verlage haben sich geweigert, Anzeigen von ihnen zu schalten.
Während in der B. Z. gestern im schmucken Telegrammstil zu lesen war: „Berliner happy – George kommt zu uns – nur Idioten sind dagegen“, versuchte der „Friedensratschlag“ eine Anzeige in der Frankfurter Rundschau unterzubringen, die genau das Gegenteil ausdrückt: „Wir wollen Ihre Kriege nicht, Herr Präsident …“, lautet die Überschrift. Die Anzeige ruft zur Teilnahme an einer Demonstration anlässlich des Besuchs von George Bush in Berlin auf.
Die Verleger der FR entschieden sich, nachdem sie Chefredakteur Jochen Siemens die Anzeige vorgelegt hatten, gegen den Abdruck, allerdings unter Protest von großen Teilen der FR-Redaktion. „Die Anzeige ist im Ton antiamerikanisch und hetzerisch formuliert und vermischt Wahrheiten mit Unwahrheiten. Das ist keine redliche Argumentation“, sagt Siemens. In seinem Leitartikel schreibt er sogar von „antiamerikanischem Geblubber“. Dabei ist er in einigen grundsätzlichen Kritikpunkten mit den Friedensinitiativen einer Meinung, nur die „hetzerischen Töne“ störten ihn. Den rund 300 Einzelpersonen, Initiativen und Organisationen, die den Aufruf unterschrieben und finanziert haben, hilft das freilich nicht mehr. Peter Strutynski, der für die Anzeige verantwortlich ist, will sich deswegen beim Presserat beschweren und hat einer Pressemitteilung zu dem Fall Artikel 5, Absatz 2 des Grundgesetzes vorangestellt: „Eine Zensur findet nicht statt.“
Doch abgesehen davon, dass der Presserat für Anzeigen gar nicht zuständig ist, ist der Verweis auf das Grundgesetz unsinnig. Gerade die Verlage sind es, die sich (beim Abdrucken von Anzeigen) auf ihre Pressefreiheit aus Artikel 5 berufen können. Auch die PDS fühlte sich vor einigen Wochen in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten, als der Axel Springer Verlag sich weigerte, deren Anzeigen zu drucken. Die Partei verwies sogar auf ein höchstrichterliches Urteil – das allerdings stellte fest, dass es eben zur verlegerischen Freiheit gehöre, über den Abdruck einer Anzeige frei zu entscheiden.
HEIKO DILK
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