: Rassistischer Mörder und Angeber
Letzter noch lebender Täter des Ku-Klux-Klan-Anschlags auf Baptistenkirche in Alabama von 1963 verurteilt
Besser spät als nie, dachten sich wohl die im Gerichtssaal anwesenden Angehörigen der vier Mädchen, die am 15. September 1963 in Birmingham, Alabama, beim Anschlag auf die 16th Street Baptist Church ums Leben kamen. „Lebenslänglich“ – so lautete gestern das Urteil der Geschworenen gegen Bobby Frank Cherry, den 71-jährigen einstigen Ku-Klux-Klan-Mann und einzigen noch lebenden Täter.
Ist es nun späte Gerechtigkeit oder ein Exempel, das Amerika in diesen Zeiten statuiert? „Wir werden keine einheimischen Terroristen tolerieren. Schließlich wurde Ussama Bin Cherry doch vor Gericht gebracht. Glory Hallelujah!“, freute sich Abraham Lincoln Woods, der immer wieder Druck auf das FBI ausgeübt hatte, den Fall wieder zu öffnen.
Der Verurteilte Bobby Frank Cherry soll sehr emotional auf das Urteil reagiert haben. Mit ausgestrecktem Finger habe er auf die Ankläger gezeigt und gesagt: „Dieser Haufen hat die ganze Zeit nur gelogen!“
Cherry, der die Tat jahrzehntelang bestritten hatte, war nach mehrfachen Verhören durch die Behörden von Alabama bereits Anfang der 70er-Jahre mit seiner Familie nach Texas gezogen. Der inzwischen pensionierte Lastwagenfahrer lebte in Mabank, südwestlich von Dallas. Seine Exfrau sagte aus, Cherry habe sich mit dem Anschlag gebrüstet. „Die Zündschnur, die hab ich angebrannt“, soll er gesagt haben. Und eine Enkeltochter überliefert: „Er sagte, er habe mitgeholfen, ein paar Nigger in Birmingham in die Luft zu jagen.“ Als Beweise dienten außerdem Tonbänder mit Aufnahmen von Cherry und seinen Klan-Genossen.
Der Anschlag traf das Gotteshaus vor fast 39 Jahren während des Sonntagsgottesdienstes. Die Baptistenkirche im südstaatlichen Birmingham, in dem strikte Rassentrennung herrschte, war zuvor mehrfach Ausgangspunkt für Protestaktionen zahlreicher Bürgerrechtler gewesen. Als eines der schlimmsten Verbrechen gegen Schwarze in dieser Zeit stellte er zugleich auch einen Wendepunkt dar. Denn der Ku-Klux-Klan verfehlte, was er mit Einschüchterung erreichen wollte: eine Zementierung des von ihm propagierten Rassenhasses. Zur Beerdigung erschienen neben Martin Luther King Tausende Trauernde. Mehr und mehr Bürgerrechtler machten sich mit Erfolg für die Aufhebung der Rassentrennung stark.
Die Verbindungen zum Ku-Klux-Klan wurden nach dem Anschlag recht schnell aufgedeckt. 18 Monate nach dem Bombenanschlag bezeichnete das FBI die Tat als Werk der Ku-Klux-Klan- Männer Robert E. Chambliss, Bobby Frank Cherry, Hermann Frank Cash und Thomas E. Blanton. Doch der Fall wurde zunächst ohne Anklagen abgeschlossen. Anfang der 70er-Jahre wurden neue Ermittlungen aufgenommen, die schließlich zur Verurteilung von Robert E. Chambliss, dem Führer der Birminghamer Ku-Klux-Klan-Gruppe, führten. Chambliss bekam „lebenslänglich“ und starb 1985 in seiner Zelle.
Hermann Frank Cash starb 1994, ohne dass er jemals vor einem Gericht zur Verantwortung gezogen wurde. Und Blanton schließlich wurde vor einem Jahr zu lebenslanger Haft verurteilt. Der mitangeklagte Cherry kam trotz wesentlich besser begründeter Anklageschrift damals wegen Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit davon.
ANETT KELLER
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