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Kein Platz für den Spatz

Grund zum Zetern: Die Hamburger Haussperlinge sind von Obdachlosigkeit bedroht. Um die Wohnungsnot der urbanen Piepmätze zu lindern, wirbt der Naturschutzbund NABU für ein modernes Reihenhausprojekt

von SILKE SCHLICHTING

Lieber den Spatz an der Wand als gar keinen der munteren Vögel mehr in der Stadt. Unter dieses Motto ließe sich die neueste Kampagne des Naturschutzbunds Hamburg, NABU, stellen, der mit „Mach Platz für‘n Spatz“ auf die bedrohte Lebenssituation des Haussperlings aufmerksam machen will: In den vergangenen 30 Jahren hat sich der Bestand in Hamburg halbiert.

Nahezu unbemerkt ist diese Entwicklung vonstatten gegangen. Denn verglichen mit seinen Artgenossen ist der Haussperling – besser bekannt als Spatz – in der Stadt nach wie vor häufig anzutreffen. Und wenn man ihn auch nicht sieht, so ist sein Tschilpen, oft ergänzt durch ein zeterndes „terrtetterterr“, in den Baumwipfeln zu hören. Tierleben-Experte Alfred Brehm schrieb einst mit spitzer Feder über den mit Pseudonymen wie „Mistfink“, „Dreckspatz“ oder „Korndieb“ verunglimpften Piepmatz: „Er ist ein schrecklicher Schwätzer und ein erbärmlicher Sänger. Trotzdem schreit, lärmt und singt der Sperling, als ob er mit der Stimme einer Nachtigall begabt wäre ...“. Kein Wunder, dass er keine Lobby hat.

Dabei wäre der Spatz ein idealer Werbeträger für FamilienpolitikerInnen. So lebt er in der Regel monogam, und bei Brut und Jungenaufzucht herrscht Gleichberechtigung: Weibchen und Männchen wechseln sich bei der Bebrütung der Eier und später bei der Fütterung der Jungen ab. Sein auffälliges Paarungsverhalten brachte dem Spatz im Mittelalter allerdings den Ruf der Unkeuschheit ein. Zu laut treiben es die kleinen Vögel. Die Franzosen – natürlich die Franzosen – glaubten im 16. Jahrhundert, das Fleisch der Sperlinge erzeuge glühende Liebe und sporne zur Unzucht an. Wie es damals bei Hofe zuging, ist ja bekannt. Auch der Name Dreckspatz rückt den Haussperling in ein falsches Licht. Dient das intensive Staubbad, das der kleine Allesfresser häufig nimmt, doch gerade der Reinigung seines Gefieders.

Dazu allerdings findet der Spatz wegen der Versiegelung der Flächen in der Stadt immer weniger Gelegenheiten. Seine akute Wohnungsnot ist auf geglättete Fassaden zurückzuführen, die auch nicht die kleinste Nische für den Nestbau bieten. Und auch die Nahrungssuche wird immer schwieriger: Durch den vermehrten Einsatz von Pestiziden gegen Insekten wird den Spatzen ihre Leibspeise genommen.

Mit der Aktionsmappe „Mach Platz für‘n Spatz“ gibt der NABU nun allen Spatzenfreunden einen umfangreichen Erste-Hilfe-Katalog an die Hand. Neben Tipps für eine artenfreundliche Garten- und Balkongestaltung enthält sie auch eine Bauanleitung für einen Nistkasten. Bei der Firma Schwegler in Schorndorf sind fertige „Reihenhäuser“ zu einem Preis von 66,70 Euro inklusive Versandkosten zu bestellen. Alle Informationen sind erhältlich beim NABU Hamburg unter Telefon 69708913. Auf dass der Spatz, Herrn Brehm zum Trotz, noch lange zetern möge.

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