: Schily spielt auf Zeit
Regierungsfraktionen wollen Stasi-Unterlagen über Promis wieder zugänglich machen. Nur dem Bundesinnenminister eilt es damit nicht
BERLIN taz/dpa ■ Stasi-Akten über Prominente und Politiker sollen nach dem Willen der Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen Medien und Forschern künftig wieder zugänglich sein. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, auf den sich die Regierungsfraktionen vorigen Dienstag verständigten. Indes hat Bundesinnenminister Otto Schily sich gegen einen rot-grünen Alleingang bei der Novellierung des StUG ausgesprochen. „Ich bin ganz entschieden dagegen, eine Gesetzesänderung mit begrenzter Mehrheit durchzusetzen“, sagte er der Leipziger Volkszeitung. Er plädiere vielmehr dafür, das StUG „in gleicher Weise wie bisher“ im Parlament zu behandeln, „nämlich im breiten Konsens“.
Nach seinem Willen sollte der Streit um die Veröffentlichung von Promi-Akten ohne Eile behandelt werden. Hintergrund für sein Drängen auf Bedacht könnte der Streit mit der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, um die Herausgabe der Akten von Exkanzler Helmut Kohl sein. Kohl hatte im März vor dem Berliner Bundesverwaltungsgericht in eigener Sache ein Grundsatzurteil erstritten, in dessen Folge die Herausgabe von Unterlagen über so genannte „Personen der Zeitgeschichte“ erheblich eingeschränkt werden musste. Im Gegensatz zu Schily begrüßt Birthler daher den Gesetzentwurf: „Es wäre schön, wenn dieser Gesetzentwurf im Bundestag interfraktionell verabschiedet wird.“
Ohne eine Änderung entstehe „die Gefahr, dass nur noch Ausschnitte der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes und dessen Innenansicht zugänglich“ sind, begründen SPD und Grüne die beabsichtigte Novellierung. Das Bundesgericht hatte Anfang März argumentiert, die Herausgabe der Kohl-Akten sei nicht mit dem Persönlichkeitsschutz vereinbar. Nach diesem Urteil sei eine Verwendung dieser Unterlagen ohne Einwilligung nicht mehr möglich, „selbst wenn sie ausschließlich die zeitgeschichtliche Rolle beziehungsweise das funktions- oder amtsbezogene Wirken dieser Personen betreffen und wenn deren schutzwürdige Interessen nicht berührt werden“, heißt es im Entwurf. Die Novellierung sieht die Einführung eines neuen Paragrafen 32a StUG vor. Er soll sicherstellen, dass Personen der Zeitgeschichte durch die Einführung eines Benachrichtigungsverfahrens in die Lage versetzt werden, „Einwendungen gegen eine Verwendung der sie betreffenden Unterlagen geltend zu machen“.
Die Möglichkeit einer Anonymisierung für Opfer der Stasi und so genannte Dritte möchte Rot-Grün streichen. Da die mehr als 186 Kilometer Stasi-Akten bis heute noch nicht in vollem Umfang erschlossen werden konnten, sei eine abschließende Bewertung der Unterlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die politische und historische Aufarbeitung nicht möglich.WOLFGANG GAST
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