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Gedichte, rund um die Uhr geöffnet

■ Ab Freitag sind die PoetInnen in der Stadt. Das internationale Lyrik-Festival „Poetry on the road“ geht in die dritte Runde

Um Gottes Willen: Lyrik. Verdichtete Sprache, komprimierte Aussage und ein akademisch geschmiedetes Analysebesteck zum Zerfieseln der Zeilen. Lyrik, so die leidvolle Erfahrung, Lyrik will dechiffriert werden. Noch schlimmer: der Lyrik-Live-Vortrag. Weihevolle Stimmung und nichts kapiert.

Ging alles

viel zu schnell und

kein Hilfsgerät

zum Knacken der Nuss,

nirgends.

Mal ernsthaft: „Gedichte / sind rund um die Uhr geöffnet (selbst die hermetischen).“ Autor dieser Zeile ist der Bremer Dichter Michael Augustin. Er und der Brite Adrian Mitchell, bekannt unter anderem als poetischer Berater von Paul McCartney, stehen nicht unter Verdacht, sich hinter verklausulierter Bedeutungsschwere zu verschanzen. Die beiden sind die einzigen Autoren, die zum wiederholten Male dabei sind bei „Poetry on the road“. Das internationale Literaturfestival geht in die dritte Runde. Und kreist dabei vor allem um Spanien und Lateinamerika: Acht der insgesamt 24 Autoren, die vom 31. Mai bis zum 3. Juni in Bremen lesen werden, kommen aus spanischsprachigen Ländern.

Die Entscheidung für diesen Schwerpunkt ergab sich, so Organisatorin Regina Dyck vom Goethebund, „aus dem Netzwerk heraus.“ Übersetzer Tobias Burghardt ist ein Knotenpunkt in diesem Netzwerk, genauso wie die Kollegen aus dem schwedischen Malmö, die dort ein internationales Lyrik-Festival organisieren und mit denen sich die Bremer nicht nur beraten, sondern auch Kosten für Autoren-Flugtickets teilen.

Die Bremer, das sind neben Dyck die Radio Bremen-Redakteurin Silke Behl und Friedrich Lehmann von der Hochschule Bremen. Zusammengeschlossen haben sich die drei im „literaturforum bremen“, finanziert werden sie zum Teil aus öffentlichen Töpfen, zum Teil von Sponsoren. Wie im vergangenen Jahr steht ein Etat von 60.000.- Euro zur Verfügung.

Um die Sprachbarrieren zu überwinden, wird bei der Veranstaltung in der bremer shakespeare company eine Leinwand mit der Gedicht-Übersetzung hinter der Bühne aufgebaut, im Schauspielhaus, im Schütting und in der Oberen Rathaushalle werden Schauspieler eine deutsche Übersetzung des Gedichts lesen, bevor die Autoren die Stimme in ihrer Sprache erheben. Letzteres spielt für Silke Behl eine entscheidende Rolle: „Lyrik ist ein Stimmereignis, das Festival bietet so etwas wie einen vielstimmigen Weltchor.

Außerdem werden die Autoren mit besonderen Präsentationsformen aufwarten, vor allem musikalische Elemente sind zu erwarten. Denn, so Dyck: „Lyriker haben in lateinamerikanischen Ländern eine andere Herangehensweise, sie verstehen sich eher als Performer, sind nicht akademisch und wollen verstanden werden.“ Vergangenes Jahr erst waren Behl und Dyck auf Gegenbesuch in Indonesien und haben dort erlebt, wie Lyriker vor bis zu 5.000 Besuchern gelesen haben und wie Stars gefeiert wurden.

Neben den Lesungen von auch in Deutschland namhaften Lyrikern wie Juan Gelman gibt es in diesem Jahr ein Kinderprogramm im Rahmen der Breminale, das in Kooperation mit Unicef entstanden ist. Das Spannende dabei: „Lyriker fremder Zunge machen sich verständlich für Kids.“ Die gleiche Herausforderung erwartet die Poeten am kommenden Montag, wenn sie Station machen im Kippenberg-Gymnasium – Lyrik Unterricht, ganz ohne Anlaysebesteck. Danach werden sich die Dichter wieder in alle Himmelsrichtungen verteilen, werden weiterreisen, vielleicht nach Hause, vielleicht zum nächsten Festival oder zum Arbeitsaufenthalt bei Freunden. Das Netzwerk: wächst. Klaus Irler

„Poetry on the rooad“ startet am Mittwoch, 29.5. um 20 Uhr im PFL-Oldenburg. Die Bremer Termine: Freitag, 31.5. um 20 Uhr im Theater am Goetheplatz (Karten Tel.: 36 53 333), Samstag, 1.6., um 11 Uhr im Schütting (nur Günter Kunert, Karten Tel.: 7 85 28), um 20 Uhr im Theater am Leibnizplatz (Karten Tel.: 32 71 73), Sonntag, 2.6. um 11 Uhr in der Oberen Rathaushalle (Karten Tel.: 7 85 28). Weitere Infos: www.poetry-on-the-road.com

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