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Ausgerechnet Öko-Hühnchen

■ Bio-Skandal: Bremer Betriebe haben nicht mit Nitrofen-Produkten gehandelt. Dennoch können belastete Lebensmittel hier verkauft worden sein. Aber: Bitte keine Panik

BSE-Erreger im Rindfleisch, Schweinepest & Co. – das gibt's jetzt auch im Öko-Format. Nachdem die Bio-Branche durch diverse Skandale Zulauf aus der Normalbevölkerung erhalten hat, ist sie jetzt selbst belastet: Ökofutter, das mit dem krebserregenden Pestizid Nitrofen in Berührung gekommen ist, soll an rund 100 Bio-Betriebe in Deutschland geliefert worden sein. „Nach unseren Erkenntnissen ist kein Bremer Betrieb dabei“, sagte die Sprecherin des Gesundheitsressorts, Heidrun Ide. Dennoch zogen Fahnder der Behörde seit Montag je acht Gefügel- und Eierproben im Land Bremen. Zum Wochenende sollen die Ergebnisse vorliegen, erklärte die amtliche Lebensmittelchemikerin Heidi Helmsmüller. „Wir gehen in alle Betriebe, die mit dem Öko-Label vermarkten, beziehen aber auch konventionelle Produkte mit in die Tests ein.“ Der Grund: Noch sei nicht klar, ob Nitrofen nicht auch in Otto-Normalverbraucher-Eiern auftauchen könne.

Auch wenn belastete Produkte offenbar nicht direkt in Bremer Betrieben gehandelt worden sind – „die Situation ist schwierig“, betont Helmsmüller. Ausgerechnet der in Twistringen ansässige Futtermittel-Hersteller GS Agri ist eines der schwarzen Schafe, dieBauernhöfe monatelang mit dem Nitrofen-Fraß beliefert haben sollen – inzwischen geht es bereits um 550 Tonnen Öko-Futter. „Das Liefergebiet grenzt ja direkt an Bremen“, sagt Helmsmüller.

Außerdem ist sie in Sorge, dass belastete Eier und Geflügel weiterverarbeitet in anderen Produkten auftauchen könnten. „Die Palette der möglicherweise belasteten Lebensmittel ist die gleiche wie beim Dioxinskandal“, meint die Bremer Lebensmittelchemikerin. Eipulver wird zum Beispiel in der Lebensmittelbranche vielfach als Bindemittel benutzt. Dieses und andere nitrofen-belastete Extrakte aus dem Hühnerbereich könnten so auch in Bremer Backwaren, Süßigkeiten oder in der Wurst entdeckt werden.

Da bislang aber nichts bewiesen ist, warnt die Fachfrau vor Panikmache. „Ich selbst werde weiter Eier essen“, sagt Helmsmüller. Dennoch ist auch sie enttäuscht von der Bio-Branche: „Von Ökoprodukten hatte ich schon etwas mehr Vorsorge erwartet.“

Auch die Bremer Öko-Händler reagierten mit Besonnenheit. „Wir haben unser Geflügel erst mal vorsorglich aus dem Verkehr gezogen – bis Klarheit herrscht“, sagt Michael Bode-Kirchhoff aus Stuhr. In seiner Naturkost-Fleischerei gibt es Hähnchen, Pute, Ente, aber auch Wiener Würstchen oder Sülze aus Geflügelfleisch. Die Eier seien aus einem Betrieb in Melle, der kontrolliert worden sei.

Dass das meiste nitrofen-clean ist, versuchen die Bio-Produzenten derzeit mit Unbedenklichkeitsschreiben zu bescheinigen, die in die Läden gefaxt werden. „Die Lieferanten haben schnell reagiert“, sagt Robert Baier vom Bioladen „Kraut und Rüben“ im Viertel. Und: Es sei voreilig, „von einer Verunreinigung auf alle Betriebe zu schließen.“

Das sieht auch die Bremer Verbraucherzentrale so. Dennoch rät sie, „Geflügel- und Gefügelprodukte aus Ökoproduktion nur dann einzukaufen, wenn eine Unbedenklichkeitserklärung vorliegt“. Selbst Öko-Konserven sollten so lange nicht verzehrt werden, „bis die Chargennummer als unbedenklich feststeht“.

Kai Schöneberg

Info-Telefon der Verbraucherzentrale: 160 77 54

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