: „Keine Wende bei Haschisch, aber …“
Der grüne Rechtsexperte Volker Beck bekennt sich zu Defiziten bei der Drogenpolitik der Bundesregierung. Die Entkriminalisierung von Haschisch müsse darum „ganz hohe Priorität“ bekommen – in der nächsten Legislaturperiode
taz: Die Grünen veranstalten heute eine Fachtagung „Cannabispolitik im europäischen Vergleich“. Dabei wird das rot-grün regierte Deutschland wohl eher schlecht aussehen.
Volker Beck: Ja, wir wollen mit dieser Tagung deutlich machen, wie unzufrieden wir mit dem Stillstand bei der Entkriminalisierung von Haschisch sind.
Warum ist der Einstieg in eine andere Haschischpolitik viel schwieriger als Energie- und Agrarwende zusammen?
Zunächst sollte man nicht übersehen, dass wir zwar keine Wende in der Haschischpolitik geschafft haben, aber eine Wende in der Drogenpolitik insgesamt. Unter dem Motto „Schwerstabhängige als Kranke, nicht als Kriminelle behandeln“ wurden beachtliche Fortschritte erreicht: Modellversuche zur kontrollierten Heroinabgabe, Legalisierung von Druckräumen und die Erprobung von Cannabis als Heilmittel.
Kiffer sind aber nicht krank – genauso wenig krank wie Biertrinker. Haschkonsumenten leiden vor allem unter der staatlichen Verfolgung.
Richtig. Wir müssen uns von der gesundheitspolitischen Diskussion lösen. Die Verelendungsdiskussion hat zwar der SPD einen leichteren Zugang zum Thema eröffnet. Jetzt müssen aber auch klassisch liberale Fragestellungen und rechtstaatliche Abwägungen auf den Tisch.
Warum soll nun alles anders werden?
Diesmal muss die Entkriminalisierung von Haschisch in der Koalitionsvereinbarung stehen. Das wird für Bündnis 90/Die Grünen bei den Koalitionsverhandlungen ganz hohe Priorität haben. Andere Reformen sind ja bereits auf einem guten Weg.
Wie aber wollen Sie die Zustimmung der SPD erreichen?
Wir müssen klar machen, dass eine Entkriminalisierung rechtsstaatlich geboten ist. Da Haschisch nicht gefährlicher ist als Alkohol oder Nikotin, ist es unverhältnismäßig, hier mit dem Strafrecht zu drohen.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk (SPD), verweist gerne auf den Fachverband Drogen und Rauschmittel (FDR), weil dieser auch gegen eine Freigabe von Haschisch ist …
Ein interessanter Hinweis, denn die im FDR zusammengeschlossenen Drogenberater sind durchaus für eine „Entkriminalisierung“ und schlagen eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit vor. Entscheidend ist für uns aber, dass Abgabe und Besitz zum Eigenverbrauch keine Sanktionen nach sich ziehen. In der Schweiz ist etwa geplant, dass Handel und Besitz von Cannabis nicht mehr verfolgt werden, obwohl man grundsätzlich an der Fiktion des Verbotes festhält.
Über welche Wege könnte die straffreie Abgabe dann erfolgen?
Entweder über Apotheken oder über lizensierte Spezialgeschäfte nach dem Beispiel der holländischen Coffee-Shops, mit einer Höchstmengenabgabe von fünf Gramm. Wir sollten in Modellprojekten beides erproben.
Könnte die FDP bei der Entkriminalisierung von Haschisch ein Bündnispartner sein?
Nein, dazu ist die FDP nach wie vor nicht liberal und mutig genug. Es gab zwar beim letzten FDP-Parteitag einen entsprechenden Antrag der Jungen Liberalen, doch der ist glatt durchgefallen. In der FDP haben halt immer noch die grauen Herren das Sagen. INTERVIEW: CHRISTIAN RATH
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