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berliner szenen Die WM ist vier Tage alt

Schon Arbeit

Konsequentes WM-Gucken ist eine asketische Angelegenheit mit nostalgischen Momenten. Beim Frühaufstehen mit Vögelzwitschern erinnert man sich kurz an die Schulzeit, dann pest man los. Im „Intertank“ in der Manteuffelstraße gibt einem der Wirt die Rubbelkarte einer Bierfirma. Wenn die aufgerubbelten Felder elf ergeben, bekommt man ein Bier. Würde man ein Bier bekommen, müsste man es natürlich austrinken. Prinzipiell machbar, doch wenn man ins Trinken kommt, kann man die Zeit nach dem Fußball gleich wegschmeißen. Ein Spiel wird zur Erholung zu Haus geguckt. Kollege K. schickt eine Mail, in der er sich über das „substanzlose Dauergequatsche der Mitte-Klone“ beim Fußball-&-Kochkunst-Projekt in der Schröderstraße echauffiert. Da hätte es „Du musst auf die Architektur der Stadien achten!“ geheißen, und auf einer Kiste hätte „ART“ gestanden.

Viele machen Kneipenhopping. Bislang traf ich erst einen Betrunkenen beim Gucken, der mehrmals laut rief „Kamerun, ist denn hier niemand für Kamerun“, während Spanien gegen Slowenien in der Mary Jane Bar in der Kastanienallee lief. Eine nightlifische Frau, bei der man das Rückentattoo über dem Gürtel sehen konnte, guckte nachlässig indigniert halb nach oben. Am Sonntag kam einem das Gucken plötzlich wie Arbeit vor. Am Montag aber ärgert man sich, dass man eine Halbzeit wegen einem Zahnarzttermin verpasst. Dann kommt das erste Highlight im vor allem von Türken besuchten Kreuzberger Café Melodie vorbei. Es ist wie immer: Die, die man sich grad zur Lieblingsmannschaft erkoren hat, verlieren äußerst unglücklich. Der Kaffee allerdings ist sehr gut und ein Großbild-Götze noch besser als Leinwand. DETLEF KUHLBRODT

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