: Gebt her eure Anteile!
DGB: Senat soll Anleger der Bankgesellschaft auffordern, Anteile zurückzugeben
Im Vorfeld der Beratungen zum so genannten Solidarpakt gehen die Gewerkschaften in die Offensive. „Ein Solidarpakt darf nicht nur zu Lasten schmaler Schultern gehen“, sagte DGB-Landevize Bernd Rissmann gestern. „Er muss sich auch die Reichen mit ins Boot nehmen.“ Der DGB fordert den Senat auf, öffentlich an die Anleger der Prominentenfonds der Bankgesellschaft zu appellieren, „freiwillig auf Garantieleistungen und Renditen im Gemeinwohlinteresse Berlins zu verzichten“.
Solche Anlegergarantien bei unrentablen Immobilienfonds haben unter anderem zu dem Bankendesaster geführt, das die finanzschwache Stadt Milliarden Euro kostet. Das Abgeordnetenhaus hatte der Übernahme von Immobilienfondsrisiken in Höhe von mehr als 21 Milliarden Euro in den nächsten 30 Jahren zugestimmt. Experten rechnen mit einem tatsächlich eintretenden Verlust von drei bis zehn Milliarden Euro. Im nächsten Jahr sind dafür 300 Millionen Euro im Haushalt eingestellt.
Es dürfe nicht sein, dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und die Berliner insgesamt dafür zur Kasse gebeten werden, während die Profiteure ungeschoren davonkämen, kritisierte Rissmann. Zwar sei es rechtlich kaum möglich, die Anleger zum Verzicht zu zwingen. Die Gewerkschaften erwarteten aber ein deutliches politisches Signal vom Senat vor dem Start der Verhandlungen zum Solidarpakt. Der rot-rote Senat will jährlich 500 Millionen Euro an Personalkosten im öffentlichen Dienst sparen. Die Gespräche zwischen Senat und Gewerkschaften werden jetzt auf Arbeitsgruppenebene geführt, bevor Ende Juni erneut eine große Runde zusammentritt.
Die Finanzverwaltung lehnte gestern die Gewerkschaftsforderung ab. Der Haushalt lasse sich nicht über Appelle an Anleger konsolidieren, sondern nur über einschneidende strukturelle Maßnahmen, so ein Behördensprecher. Dass das negative Image von Bankgesellschaftsfonds manchen Anleger zum Nachdenken bewegt, zeigt das Beispiel von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Sie hatte im März ihre Beteiligung am Gardelegenfonds gekündigt. Grund waren „erhebliche Zweifel an der ordentlichen Geschäftsführung und Finanzierung des Fonds“.
Die Gewerkschaften unterbreiteten gestern indessen weitere Vorschläge, wie es unabhängig vom Solidarpakt zu Einsparungen im Haushalt kommen könnte. Dazu gehört unter anderem die Reduzierung der Polizeiführung auf einen Polizeipräsidenten mit einem verkleinerten Stab, die Ausweitung von Teilzeit und Altersteilzeit, die gezielte Eingliederung von Sozialhilfe-Empfängern in reguläre Arbeitsplätze, der Verkauf des Senatsgästehauses und die Aufgabe der Landesvertetung beim Bund.
RICHARD ROTHER
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