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Saudis mögen keine Burger

Seit der jüngsten israelischen Militärintervention im Westjordanland wird ein Boykott von Produkten aus den USA in Saudi-Arabien immer beliebter. Kinder lernen in der Schule, auf die Herkunft der Waren zu achten. Auch die Regierung wird kritisiert

aus Jeddah REEM YESSIN

Die jungen Frauen suchen ein nicht zu teures Restaurant für den Abend. „Chilies, Fudruckers und Friday’s kommen nicht in Frage“, meint die 22-jährige Mariam. „Alles andere ist teuer. Gibt es hier keine Alternative zu Ami-Fastfood?“

Seit der israelischen „Operation Schutzwall“ im Westjordanland Anfang April haben viele Menschen in Saudi-Arabien ihren ersten Schock überwunden, wollen aktiv werden und daher keine Produkte aus den USA mehr kaufen. Sie stellen Listen mit einheimischen oder europäischen Waren auf, um denjenigen, die US-Produkte boykottieren möchten, eine Hilfestellung zu geben.

In einer privaten Mädchenschule in Jiddah verteilt die Verwaltung eine Liste mit amerikanischen Produkten und eine alternative Warenliste. „So bringen wir den Mädchen bei, nach einheimischen Produkten oder Produkten aus anderen Ländern zu suchen“, erzählt eine Angestellte. „Es ist nicht einfach, zumal wir an Markennamen gewöhnt sind, aber diesmal muss es sein.“ Designerläden wie Donna Karan und Ralph Lauren werden gemieden. McDonald’s, Pampers, Kleenex oder Pepsi werden durch Shawerma, Mooby, Fine und Shani ersetzt. „Toll ist es nicht, weil einige andere Produkte qualitativ nicht so gut sind. Aber was soll’s.“

Die 23-jährige Lehrerin Hind erzählt aus ihrer Schule: „In jeder Klasse wurde ein kleiner Supermarkt aufgebaut. Dadurch lernen die Kinder, beim Einkaufen auf die Herkunft der Waren zu achten. Alle sind sich der Aktion bewusst, wissen, wie es läuft, und machen begeistert mit.“

Obwohl der israelisch-palästinensische Konflikt schon oft für Schlagzeilen gesorgt hat, sind viele Menschen in Saudi-Arabien diesmal fassungslos über das israelische Vorgehen. „Noch schlimmer als diese Taten ist unser Gefühl von Hilflosigkeit. Wir dürfen nicht nach Palästina, um mit unseren Brüdern und Schwestern dort zu kämpfen“, sagt die 32-jährige Faris und fügt mit einem bitteren Lächeln hinzu: „Unsere Politiker schauen zu.“ Andere sind jedoch der Auffassung, dass die Rolle der eigenen Regierung nicht unterschätzt werden dürfte. „Unsere Regierung tut etwas, sie spendet Geld und schickt Flugzeuge mit Hilfslieferungen“, meint ein Gesprächspartner.

Zwar hat die letzte Reise des saudischen Thronfolgers Prinz Abdullah bin Abdul Aziz in die USA für Aufsehen gesorgt, aber nach Meinung internationaler Analysten ist es dabei nicht zu konkreten Ergebnissen gekommen. „Was bewirken solche Verhandlungen? Seit Jahrzehnten werden Konferenzen und Verhandlungen geführt, na und? Unsere Politiker kümmern sich um gar nichts und schon gar nicht um andere. Alles was sie beschäftigt, ist, den Griff an der Macht nicht zu verlieren“, sagt die 24-jährige Reem.

Der Boykott von US-Produkten ist in der arabischen Welt nicht neu. Schon während des ersten Palästinenseraufstandes kam diese Idee auf. „Die Amerikaner sind schuld an allem, Amerika ist eine Weltmacht, die nicht wagt, Israel zu kritisieren“, meint die 45-jährige Kadijah. „Alles steht doch klar und deutlich vor unseren Augen. Wir Araber tun nichts, wir verlieren sehr viel Respekt, weil wir nicht für unsere Rechte kämpfen“, meint der 19-jährige Ahmad. „Aber wir erwarten, dass es andere, die USA, für uns tun. Lustig, nicht wahr?“

Ob sich die Boykottbewegung ökonomisch niederschlägt, also in der Handelsbilanz der USA mit den arabischen Staaten sichtbar wird, lässt sich nicht sagen. Verlässliche Statistiken gibt es nicht. Saudi-Arabien exportiert Öl und Ölprodukte, und die USA exportieren alles, vom Auto bis zum Zahnstocher, nach Saudi-Arabien.

Hinter der Teilnahme am Boykott stehen Hoffnungslosigkeit, Frustration und Wut. „Eine andere Ausdrucksform haben wir nicht, Demonstrationen wurden verboten mit der Begründung, dass sie gegen die Strukturen der Gesellschaft sind“, empört sich die 28-jährige Susan. „Sollen wir einfach dasitzen und zuschauen, nur Geld sammeln, oder wie?“ Andere zweifeln am Sinn des Boykotts und halten diese Aktion für einen Tropfen auf dem heißen Stein – und machen trotzdem mit. Das ist insofern bemerkenswert, als das Verhältnis zwischen Saudis und im Land lebenden Palästinensern seit dem Krieg gegen den Irak im Jahre 1991 belastet ist. Damals hatte sich Jassir Arafat, Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, öffentlich an die Seite des irakischen Staatschefs Saddam Husseins gestellt. „In Saudi-Arabien wurde viel für Palästina gespendet“, sagt die 36-jährige Huda. „Wir wissen, dass diese Aktion nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Aber wir wollen am Kampf teilnehmen. Es geht um unsere Identität und nicht nur um die Palästinenser. Unsere Brüder und Schwestern dort sind die Helden. Andere, die im Ausland ihr Leben genießen, sind für mich keine Helden.“

Trotz allem steigt der Boykott-Enthusiasmus Tag für Tag. Überall sieht man schwarzweiße Kopftücher oder Schleifen als Zeichen der Solidarität mit den Palästinensern. Die Diskussionen nehmen kein Ende. Und viel Hoffnung auf eine Änderung der Lage gibt es auch nicht.

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