Der Alte Fritz und die Frauen

Eine Führung durch die Bildergalerie von Schloss Sanssouci in Potsdam versucht Licht in die intimen Beziehungen des Preußenkönigs zu bringen. Doch viel zu erzählen gibt es nicht – geliebt hat Friedrich der Große vor allem seine Mutter

von HANNE BAHRA

Der Himmel an diesem Sonntag ist so blau wie die Schrift im Veranstaltungsheft der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten: Das Thema der Führung durch die Bildergalerie von Schloss Sanssouci klingt verlockend: „Frauen um Friedrich den Großen“. Prima. Preußen privat. Genau das Richtige an solch einem milden Tag, preußischblau und rosarot.

Friedrich und Frauen: Dass beides so wenig zusammenpasst wie das sperrige Paar Filzpantoffeln an den Füßen der Schlossbesucher – zwei linke Schuhe, mit denen sie eine Stunde lang über das Parkett ganz persönlicher Preußengeschichte schlittern können –, weiß man schließlich noch aus dem Geschichtsunterricht. Die berühmte Tafelrunde von Sanssouci war ein reiner Männerclub. Die Freundschaft mit dem Sekretär Jordan und dem Stallmeister von Keyserlink galt Friedrich II. mehr als jede Begegnung mit Frauen. Keine Mätressen, keine Skandale.

Seit der Affäre mit der Gräfin Orczelska am Hofe Augusts des Starken ist kaum eine leiblich-lustvolle Liaison mehr zwischen Friedrich und Frauen belegt. Noch die eine oder andere platonische Episode voller Episteln und Gedichte, doch seine große polemische Hassliebe galt einem Mann, dem Franzosen Voltaire. „Die vom Vater ausgewählte Gattin Elisabeth Christine schickte er in die Wüste“, flüstert der blasse junge Kastellan vor den großen Gemälden im Vestibül den Beginn der marmorkalten Ehegeschichte. Aus Gefälligkeit für den Wiener Hof vermählte der König seinen ältesten Sohn mit einer Nichte des Kaisers. „Ich wollte mich immer mit dem Degen hervortun, um ihm allein des Königs Gnade zu verdanken, nun soll ich sie in einer Bettschlacht erringen“, kommentierte der.

Über sein Verhältnis zu Frauen im Allgemeinen schrieb Friedrich: „Ich liebe das schöne Geschlecht, aber meine Liebe ist flatterhaft, ich will nur genießen, nachher verachte ich die Frauen.“ Zitat für Zitat schwindet unsere Hoffnung auf einen romantischen Rundgang. Es gibt auch keine schlüssige Erklärung für Friedrichs fatales Liebesleben. Alles bleibt zwangsläufig Spekulation. Vielleicht verdankt Preußens seinen Aufstieg zur europäischen Großmacht wirklich nur einer Infektion? Das Augenblinzeln des Schlossführers macht uns zu Eingeweihten.

Verständnisvoll, die Pantoffeln in der Hand, schreiten wir treppauf in die Pesne-Galerie, zu den Bildnissen von Frauen, die wahre Bedeutung im Leben Friedrich II. hatten. Die Mutter! Im witwenschwarzen, hermelingefütterten Samtmantelkleid füllt Sophie Dorothea, Förderin der musischen Talente Friedrichs II., die Mitte der Bilderwand. Weiß gepuderte Löckchen, ein Schoßhund zum Zeichen der ehelichen Treue im Arm.

Nebenan das Konterfei der Schwester. Wilhelmine von Bayreuth war Friedrich im Geiste verwandt; mit spitzer Nase und großen Augen im hageren Antlitz sieht sie dem Bruder auch äußerlich ähnlich. Vielleicht war sie die einzige Frau, die Friedrich je liebte. Sie schrieben einander über 500 Briefe. Als der König sich wegen verlorener Schlachten das Leben zu nehmen drohte, bot sie ihm ihre Begleitung an.

All die Bilder in den fünf mit karmesinrotem Seidendamast ausstaffierten Oberen Roten Kammern malte der Franzose Antoine Pesne. Ausgebildet von seinem Großonkel Charles de la Fosse, Hofmaler Ludwigs XIV., war er fast 50 Jahre lang im Dienst der preußischen königlichen Familie. Ein Schmeichler, der seinen Modellen mit Sympathie auch jenseits der Standesbarrieren begegnete. Pesnes launigstes Bild zeigt die italienische Tänzerin Barbarina, deren Beine nach Voltaires bissiger Bemerkung von Friedrich höher bezahlt wurden als seine Minister. Daneben ein Bildnis der Schauspielerin Babette Cochois. Aber auch diese beiden Schönen teilten nie mit Friedrich das Bett. Das Leben des Alten Fritz war nicht von Amor, sondern von Apollo und Mars dominiert. Er war ein Weiberfeind ausgerechnet in einer Zeit, in der auf den Thronen Europas in Wien, Petersburg und Paris Frauen saßen.

Noch aus den entferntesten Winkeln des Parks von Sanssouci fällt der Blick auf die hohe Kuppel des Neuen Palais. Leichtfüßige Grazien, Göttinnen der Anmut, tragen dort die schwere preußische Krone. Aglaia, Euphrosyne und Thaleia verkünden Glanz, Frohsinn und Blüte für einen Staat, der soeben tief verwundet, aber siegreich als europäische Großmacht aus dem Siebenjährigen Krieg hervorgegangen war. In Wahrheit aber, so behauptet der Volksmund, seien die Damen Friedrichs Erzfeindinnen Maria Theresia, die russische Zarin Elisabeth und die Marquise Pompadour. Sieben Jahre dauerte die Errichtung des Neuen Palais, dieser triumphalen architektonischen Manifestation preußischer Erfolgspolitik.

Von wegen Lustschloss. Auf Flirt stand für Diener Friedrichs Prügelstrafe oder Festung Spandau. Nur den halbnackten Steinfiguren im Park und an den Schlossfassaden gestattete der König sinnliches Spiel.

Jeden Sonntag im Neuen Palais, Park Sanssouci, um 15 Uhr Führung zu „Frauen um Friedrich den Großen“. Eintritt: 5 Euro