: Entführung in die Provinz
Still war es geworden um den Namensstreit zwischen Pankow und Prenzlauer Berg. Doch nun haben Pankower Heimatfreunde ein Bürgerbegehren eingeleitet. Ob sie sich damit einen Gefallen tun?
fragt UWE RADA
„Der Abend senkte sich schon über der fruchtbaren Landschaft, welche die Panke durchströmt, als ein junger Mann […] unerwartet zwischen den grünen Bergen in der schönsten Einsamkeit ein altes Schloss erblickte.“ Mit diesem arkadischen Bild beginnt Joseph Freiherr von Eichendorffs Erzählung „Die Entführung“. Nur dass es nicht die Panke ist, die beim deutschen Romantiker die fruchtbare Landschaft durchfließt, sondern die Loire.
Aber egal. Sonst ist ja alles vorhanden im Schlosspark Niederschönhausen: Das Schloss, einst Sitz der „Herrscher von Pankoff“, eine Schlossallee, die fast bis zum Majakowskiring mit ihren Villen reicht, und eine fruchtbare Landschaft, die von Arwed Steinhausen beinahe noch arkadischer besungen wird als von Freiherr von Eichendorff. In seinen „Pankower Spaziergängen“ beschreibt der Heimathistoriker unter anderem auch den Anger vor dem Pankower Rathaus: „Somit konnten die Sommergäste ihren täglichen Bedarf an Ort und Stelle decken, und die Bediensteten mussten sich nicht mit übervollen Körben in den Kremsern und Torwagen drängeln und darüber hinaus riskieren, den Herrschaften die ‚Kledage‘ zu beschmutzen.“
Was aber, mag nun der geneigte Leser fragen, haben die Herren Eichendorff und Steinhausen mit mir zu tun? Womit habe ich diese Nachrichten aus der tiefsten Berliner Provinz, der es nur darum geht, denn Herrschaften die „Kledage“ nicht zu beschmutzen, verdient?
Ganz einfach, lautet da die Antwort. Die Provinz ist wieder auf dem Vormarsch. Der Romantiker Steinhausen nämlich bricht nicht nur zu Pankower Spaziergängen auf, sondern auch zu neuen Ufern. Bis weit hinab ins Spreetal soll Pankow endlich reichen. Für eine solche „Entführung“ der Prenzlauer-Berger macht sich Steinhausens Initiative „Pankow bleibt“ stark, und dafür hat sie auch schon 5.377 Unterschriften gesammelt. Das reicht für die Einleitung eines Bürgerbegehrens und damit für die nächste Runde im Namensstreit um den Großbezirk im Berliner Nordosten.
Der ist ja bekanntlich, obwohl der Bürgermeister Burkhard Kleinert (PDS) inzwischen seinen Dienstsitz neben dem Markt am Anger im Pankower Rathaus hat, noch immer nicht entschieden. Zwar hatte sich Kleinerts Vorgänger, der Pankower Alex Lubawinski (SPD), strikt geweigert, einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung umzusetzen, dem zufolge der neue Großbezirk „3. Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee“ heißen soll. Doch vom Tisch war die Sache damit nicht. Kaum war das neue Bezirksamt gewählt und Lubawinski wieder nach Pankow geschickt, forderten die Bezirksverordneten Kleinert auf, bis Ende Juni Klarheit zu schaffen. Und Klarheit heißt im vertrackten Namensstreit zunächst einmal, den weiteren Gang des Verfahrens zu klären.
Doch nach den 5.377 Unterschriften des Arwed Steinhausen herrscht selbst darüber wieder große Unklarheit. „Eigentlich wollte ich dem Bezirksamt vorschlagen, ein Meinungsforschungsbüro mit der Namensfindung zu beantragen“, sagt Kleinert. Doch das Bürgerbegehren habe die Lage geändert. Kleinert braucht nun wieder Bedenkzeit, doch eines weiß er schon jetzt: „Mit dem Bürgerbegehren haben sich die Pankow-Befürworter keinen Gefallen getan.“
Recht hat der Mann. Um die Pankow-Gegner war es nämlich mehr als ruhig geworden. Selbst die Aktivisten der Internetplattform „Narra.de“, die noch im vergangenen Jahr 10.000 Unterschriften gegen Pankow sammelte, haben das Thema inzwischen von ihrer Website genommen. Ein Bürgerbegehren der Pro-Pankower könnte nun aber den latenten Widerstand der Prenzlauer-Berger wieder wecken.
Und zugleich an das Dilemma der Pankow-Gegner erinnern, keine wirkliche Alternative zur Namensentführung zu haben. Die von der BVV bevorzugte Nummerierung der Bezirke ist gescheitert und ein Wortungetüm wie „Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee“ nicht durchsetzbar. Gleiches gilt für Namensneuschöpfungen wie „Schönhausen“ oder „Barnim“.
So wundert es nicht, wenn Kleinert nun mit der Prenzlauer-Berg-Karte droht. „Wenn das Bürgerbegehren scheitert, könnte es gut sein, dass die Pankow-Gegner erstmals den Namen Prenzlauer Berg ins Spiel bringen.“ Von der Hand zu weisen wäre das in der Tat nicht, schließlich hat Prenzlauer Berg immer noch einige tausend mehr Einwohner als Alt-Pankow.
Und an Dichtern, die Groß-Prenzlauer Berg besingen würden, herrscht ohnehin kein Mangel. Die reichen von Peter Brasch, der seinen Roman „Schön hausen“ unmittelbar am Dreiländereck zwischen Pankow, Weißensee und Prenzlauer Berg angesiedelt hat, bis hin zum Prenzlauer-Berg-Punker Papenfuß, der mit dem Kaffee Burger in der Torstraße bereits eine Exklave in Mitte geschaffen hat.
Selbst Freiherr von Eichendorff hatte in seiner „Entführung“ für das wilde Treiben im Süden des Schlosses ein paar Verse parat: „Neugierig“, heißt es da über den jungen Mann, „drang er durch das verworrene Gebüsch […], es schien der ehemalige Schlossgarten zu sein, denn künstliche Hecken durchschnitten oben den Platz, weiterhin schimmerte noch eine weiße Statue durch die Zweige, aber rings aus den Tälern ging der Frühling, mit Waldblumen funkelnd, lustig über die gezirkelten Beete und Gänge, alles prächtig verwildernd.“
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