DIE EU HAT RECHT MIT DEM HANDELSVERBOT FÜR DEUTSCHE BIOWAREN
: Kontrolle ist besser

So kann’s kommen: In Deutschland ist vieles voll öko – die Mülltrennung, die Windparks, die Wandfarbe, das Frühstücksei. Trotzdem müssen sich Europas Biosupermänner nun Schlamperei vorwerfen lassen. Biologisch hergestelltes Getreide wurde über ein Jahr lang mit dem illegalen Pflanzenschutzmittel Nitrofen vergiftet – und die Verbraucher haben nichts davon erfahren, obwohl etwa die Raiffeisenversicherung schon geraume Zeit informiert war. Deshalb prüft nun die Europäische Union völlig zu Recht, ob sie Handelsbeschränkungen für deutsche Bioprodukte verhängen soll.

Die Kommission in Brüssel ist gut beraten, wenn sie sich dabei von deutschem Widerspruch nicht beirren lässt. Wen Unternehmen aus der Bundesrepublik gesundheitsgefährdende Lebensmittel verkaufen und der Öffentlichkeit vorhandene Informationen vorenthalten, dann müssen sie damit rechnen, dass andere Staaten den Import dieser Erzeugnisse untersagen. Schließlich ist die körperliche Unversehrtheit belgischer oder französischer Verbraucher ebenso hoch zu bewerten wie die Gesundheit der deutschen Bevölkerung.

Freilich muss die Europäische Kommission Augenmaß bewahren. Es hilft jetzt nichts, eine ganze Branche mit Exportverbot abzustrafen. Der überwältigende Teil der deutschen Ökolandwirtschaft hat ja mit Nitrofen überhaupt nichts zu tun. Die Handelsbeschränkungen müssen sich folglich auf solche Produkte und Firmen beschränken, die in irgendeinem Zusammenhang mit den bisherigen Nitrofenfunden stehen. Diese Einschränkung gilt allerdings nur so lange, wie die deutschen Länder- und Bundesbehörden den Eindruck erwecken, die Sache im Griff zu haben. Sollten sich die Gerüchte über weitere Nitrofenquellen außer der bekannten in Mecklenburg-Vorpommern erhärten, wären weitere Handelsverbote angesagt.

Tierseuchen wie BSE oder Giftskandale begannen oft genug in anderen Ländern. In diesen Fällen hat sich auch die Bundesrepublik durch Importverbote geschützt. Nun ist es andersherum. Aber allzu billig wäre es, etwa der belgischen Regierung in dieser Situation Rachegelüste zu unterstellen. Vorerst ist angesagt, hierzulande reinen Tisch zu machen. HANNES KOCH