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Die USA bremsen Exkönig Schah aus

In Afghanistan zwingen die USA den Exkönig, zugunsten von Hamid Karsai auf eine Präsidentschaftskandidatur zu verzichten. Damit soll der Weg für Karsai freigemacht werden. Die Vorbereitung der Loja Dschirga ist weiter konfus

KABUL taz ■ „Ich bin kein Kandidat für irgendeine Position bei der Loja Dschirga.“ Dieses Statement ließ Afghanistans 87-jähriger Exkönig Sahir Schah gestern Abend in seiner Residenz in Anwesenheit von Interimsregierungschef Hamid Karsai verlesen. Damit soll für Karsai der Weg für das bei der großen Ratsversammlung, der Loja Dschirga, zu vergebende Präsidentenamt freigemacht werden. Denn Sahir Schah stand in den letzten Tagen unter immer größerem Druck speziell von Paschtunen, sich selbst für dieses Amt zu Verfügung zu stellen.

Noch am Sonntag hatte der Exmonarch erklären lassen, er stehe für jedes Amt bereit, das die Loja Dschirga ihm antrage. Zugleich hatte sich Schah für Karsais Verbleib als Regierungschef ausgesprochen, womit eben nicht das Staatsoberhaupt gemeint ist. Demnach hätte Karsai der Premier unter einem Präsidenten Sahir Schah werden können, dessen Rolle noch näher hätte definiert werden müssen. Der Exkönig hatte bisher eine Exekutivgewalt abgelehnt.

Am Sonntagabend hatten Karsai und einige Minister vergeblich versucht, vom König die Zusage zu erhalten, dass er nicht kandidiere. Dazu war der Exmonarch immer gedrängt worden. Karsai – wie Schah Paschtune – war ursprünglich ein Verbündeter des Königs. Jetzt wird er aber in seiner eigenen Präsidentschaftskandidatur von den tadschikischen Ministern seiner Regierung unterstützt. Besonders mächtig unter ihnen sind die so genannten Pandschiris. Sie bekamen bei der Bonner Afghanistan-Konferenz im Dezember die Ressorts Verteidigung, Inneres und Äußeres zugesprochen. Im Gegenzug stimmten sie der Rückkehr des seit 1973 im Exil lebenden Exkönigs zu, der auch die Loja Dschirga eröffnen soll.

Bei der Ratsversammlung aller afghanischen Stämme und gesellschaftlichen Gruppen, die eigentlich gestern beginnen sollte, steht nicht nur die Frage des Staatsoberhaupts zur Debatte, es geht auch um die Ministerposten und damit den Ruf nach Reduzierung der Macht der Pandschiris. Karsai wird von vielen Paschtunen misstrauisch betrachtet, seit die Pandschiris ihn unterstützen. Weil vor der Loja Dschirga kein Einvernehmen um das Präsidentenamt und die Posten erzielt werden konnte, wurde der Beginn der Loja Dschirga bereits zweimal verschoben. Jetzt soll sie am Dienstagnachmittag mit einer Rede des Exkönigs beginnen.

Nachdem sich Karsai und Schah am Wochenende nicht in der Präsidentenfrage einigen konnten, zog der US-Sonderbotschafter Zalmay Khalilzad gestern die Notbremse. Die USA gelten in Afghanistan nach dem Sturz der Taliban als die eigentlichen Machthaber. Erst auf Druck Khalilzads, eines afghanischen US-Amerikaners, gab Sahir Schah nach. So verkündete Khalilzad am Nachmittag in der US-Botschaft, der Exmonarch werde am Abend den Verzicht auf eine Kandidatur bekannt geben.

Es ist fraglich, ob das jetzt alle Delegierten der Loja Dschirga und die Bevölkerung akzeptieren werden. Am Wochenende hatte ein ostafghanischer Warlord bereits mit Gewalt gedroht, sollte Sahir Schah nicht Staatsoberhaupt werden. Um ihr Gesicht zu wahren, warfen Khalilzad und später Sahir Schah den Medien vor, Konfusion verbreitet zu haben. Zuvor hatten Sprecher der Loja-Dschirga-Kommission, die das sechswöchige Treffen vorbereitet hatte, die Verschiebung der Eröffnung um einen Tag mit „logistischen und operationellen Gründen“ erklärt. Die gibt es zwar, doch dürfte es wohl eher der US-Gesandte gewesen sein, der für die Verzögerung sorgte. Bei der Loja Dschirga ist die Zahl der Delegierten inzwischen von zuletzt 1.551 auf über 1.700 gestiegen. Eine Liste der Delegierten gibt es immer noch nicht. SVEN HANSEN

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