„Senegal wird Weltmeister“

Die Kameruner Fans nehmen das Aus und die Deutschen gelassen. Ihre Sympathien gelten nun dem Team aus Senegal

Das Wichtige kommt immer zuerst. „Ick hab’ übrigens bestanden“, sagt eine schwarze Studentin zu ihrer Bekannten zur Begrüßung. „Super.“ Die beiden Freundinnen klatschen in die Hände, und fast wäre in dem Moment das 1:0 für Kamerun gefallen. Aber der Kameruner bringt den Ball, frei im Strafraum, nicht an Oliver Kahn vorbei. Die beiden Frauen umarmen sich. „Beim nächsten Mal geht er rein.“ „Klar, Winnie macht das schon.“

Winnie Schäfer, Kameruns Trainer, ist der einzige Deutsche auf dem Bildschirm, dessen Aktionen im „Sunnugaal“ beklatscht werden. Die afrikanische Kneipe in der Kreuzberger Oranienstraße ist rappelvoll, rund 40 Kamerun-Fans, darunter ein paar Deutsche, schauen gebannt auf den kleinen Fernseher vor der Theke. Um den anderen nicht die Sicht zu versperren, sitzt die Hälfte auf dem Fußboden, weil der Video-Beamer nicht geht – der Mann an der Theke hat vergessen, ein genügend langes Fernsehkabel zu besorgen.

Auch sonst geht es eher ruhig und friedlich zu – Senegal hat Frankreich aus der WM gekickt, das hat die afrikanischen Fans mehr als zufrieden gestellt. Zwar wird der stürmende Glatzkopf Carsten Jancker schon mal als „Ostnazi“ bezeichnet und der Schiedsrichter nach einer Entscheidung gegen Kamerun als „Rassist“ – Politik und Kolonialgeschichte spielen ansonsten keine Rolle. Die Fans mit den grüngelbroten Fahnen und T-Shirts dulden sogar einen betrunken Deutschen in ihrer Mitte, der mitgebrachtes Büchsenbier trinkt und durch unflätige Bemerkungen auffällt.

Als Carsten Ramelow zum Ende der ersten Halbzeit vom Platz fliegt, bricht Jubel aus. Jetzt scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis es den Nachfolgern der Kolonialherren sportlich heimgezahlt wird. Aber die Deutschen machen kurz nach der Pause das 1:0, stehen fortan erstaunlich souverän in der Abwehr. Im „Sunnugaal“ schwindet die Zuversicht, irgendwie finden die Kameruner kein Rezept – nur der Barkeeper hat sein wichtigstes nicht vergessen. Er mixt einen Caipirinha nach dem anderen. Aber weder der Alkohol noch die drohende Niederlage machen die Fans aggressiv, das 2:0 kommentiert einer sogar anerkennend: „Ein guter Spielzug.“

Nach dem Abpfiff verlassen die Fans die Kneipe schnell. Nur ein paar bleiben vor der Tür stehen, winken hupenden deutschen Autofahrern zu. Der K. o. für Kamerun ist eben nicht das Aus für Afrika. „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, gibt einer eine deutsche Fußballgewissheit zum Besten. Und fügt die afrikanische hinzu: „Senegal wird Weltmeister.“ RICHARD ROTHER