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Keine Nitrofen-Sanktionen der EU

Die Kommission sieht sich ausreichend über Herkunft und Aufklärungsstand unterrichtet. Belgien setzt Sonderkontrollen deutscher Agrarexporte aus. Betroffen sind jetzt erstmals auch ein Demeter-Betrieb in Holstein und Ökohöfe in Sachsen

aus Brüssel und BerlinDANIELA WEINGÄRTNERund NICK REIMER

Die Europäische Kommission wird kein Vermarktungsverbot für deutsche Bioprodukte verhängen. Der ständige Lebensmittelausschuss kam gestern in Brüssel zu dem Schluss, dass Deutschland alle kritischen Fragen zufriedenstellend beantwortet habe. Offensichtlich sei die Quelle der Verunreinigungen eindeutig identifiziert und ausreichende Schutzmaßnahmen eingeleitet. Im Gremium sitzen Lebensmittelexperten der fünfzehn Mitgliedstaaten.

Belgien setzt besondere Kontrollen deutscher Agrarexporte von Mittwoch an aus. Die belgische Lebensmittelsicherheitsbehörde teilte gestern mit, angesichts der Erklärungen Deutschlands gegenüber der EU-Kommission werde Belgien von Mittwoch an keine Unbedenklichkeitsbescheinigungen mehr für deutsche Agrarprodukte fordern. Die Situation werde aber weiter beobachtet. Belgien hatte am Montag die Kontrollen eingeführt, um sich vor Einfuhren von mit Nitrofen vergifteten Lebensmitteln zu schützen. Der belgische Alleingang war von der EU kritisiert worden. Belgien hatte seinen Entschluss mitgeteilt, nicht aber, wie vorgeschrieben, eine Stellungnahme der Kommission eingeholt. Nach neuen EU-Bestimmungen kann diese einen befristeten Verkaufsstopp beschließen, wenn alle Kommissare zustimmen.

Für die Zukunft plant die EU-Kommission, allen Mitgliedsstaaten einheitliche Lebensmittelkontrollen vorzuschreiben. Der Kompetenzwirrwarr zwischen Kontrollbehörden auf Bundes- und Länderebene soll beendet werden. In Ländern mit föderalen Strukturen wie Deutschland seien die Vorschriften zu uneinheitlich, sagte eine Sprecherin von Verbraucherkommissar David Byrne gestern.

Der Deutsche Tierschutzbund erstattete unterdessen bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg Anzeige gegen die GS agri. „Wer derart verantwortungslos das Leben der Menschen und Tiere gefährdet, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen“, so die Begründung. Die Tierschützer verweisen auf Paragraf 3 des Futtermittelgesetzes, der GS agri verpflichtet, nichts in Verkehr zu bringen, was schädigt. Geschädigt sind nun auch erstmals Tiere eines Demeter-Betriebes. In Schweinefleisch von Hof Dannwisch (Schleswig-Holstein) wurde Nitrofen nachgewiesen. Nach Erkenntnissen des Sächsischen Landwirtschaftsministeriums wurden 32,4 Tonnen verseuchtes Saatgut aus Malchin an 12 Ökobetriebe im Freistaat geliefert. Auch ein Berliner Betrieb ist von Nitrofen-belasteten Futtergetreide-Lieferungen betroffen. Die Futtergerste sei Mitte vergangener Woche entdeckt worden, teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit gestern mit.

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