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: Ausgehen mit 20 ist eine Qual

Jugendlicher Burn-out

„Man müsste noch mal zwanzig sein“ heißt ein früher Agism-Schlager aus den 50ern. Heute betrübt die Tatsache, dem Twen-Alter entwachsen zu sein, hauptsächlich die männlichen Vertreter der Generation 29 plus. Die Dreißigjährigen spüren einerseits eine innere Behäbigkeit in sich emporkriechen und fürchten andererseits nichts mehr, als den Anschluss an die Jugendkultur zu verlieren. Ihnen sei von einer Insiderin zum Trost Folgendes gesagt: Das Leben der Zwanzigjährigen ist gar nicht so reich und bunt, wie ihr es euch vorstellt.

Nehmen wir mal einen zwanzigjährigen Menschen aus Berlin. Ist er im alternativ-proletarischen Kreuzberger Milieu aufgewachsen, wurde er erst spät, so mit sieben, eingeschult, weil die Erzieherinnen der Elterninitiativkindertagesstätte – eikita – der Meinung waren, das zarte Kind sei vorher nicht reif für den Klassenkampf auf dem Schulhof. Wie jeder halbwegs integre Mensch wiederholte der Jugendliche eine Klasse, in unserem Fall eine des integrativen Kreuzberger Ghettogymnasiums, wohnt mit 20 noch zu Hause und bereitet sich nun auf das Abi vor.

Die Möglichkeiten des Amüsements sind für so junge Erwachsene nicht überragend. Einen richtigen Clubabend kann sich der durchschnittliche Zwanzigjährige höchstens einmal im Monat leisten, und dann lungern dort womöglich blöde alte „trendy people“ um die 24 herum, die gerade zum Studieren oder für ein Praktikum in die Großstadt gezogen sind. Kaum ein Zwanzigjähriger besitzt ein eigenes Fahrzeug oder Geld fürs Taxifahren, also enden die seltenen Clubabende oft mit kilometerlangen Fußmärschen durch die Stadt, weil der einmal stündlich verkehrende Nachtbus verpasst wurde. Es bleibt das Kino, das Bei-McDonald’s- oder Auf-Parkplätzen-Rumhängen, ein Treffen mit der Clique im Café um die Ecke. Oder man bleibt gleich ganz zu Hause bei Jack Ass und den Osbournes auf MTV, ab und zu gibt es vielleicht eine Haschkeksparty oder einen Videoabend. Die lokalen kulturellen Höhepunkte 1. Mai, Love Parade und Christopher Street Day kennt der Zwanzigjährige von Kindesbeinen an, sie können ihn nicht mehr begeistern.

Seit der 11. Klasse leidet der 20-jährige Mensch bereits am Burn-out-Syndrom: Immer müde, muss er sich nach zwei Schulstunden für den Rest des Tages hinlegen. Die Zukunft liegt wie ein Abgrund vor ihm, alle Welt erwartet Pläne, Aktivitäten, Berufswünsche, dabei würde sich der Zwanzigjährige am liebsten direkt nach dem Abi frühverrenten lassen.

Das Leben ist eine schwere Last auf seinen zarten Schultern. Zwanzigjährige seufzen viel, leiden durch die Bank an Muskelschwäche und unter niedrigem Blutdruck. Die leichteste körperliche Arbeit, etwa ein Rundgang bei H & M oder das Abgeben einer Banküberweisung, ermattet und überanstrengt sie.

Deshalb sollten sich alle Dreißigjährigen freuen, diese schlimmste Zeit des Lebens hinter sich gelassen zu haben, und sich auf die wilden Jahre der zweiten Lebenshälfte freuen.

CHRISTIANE RÖSINGER