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Aufgerieben zwischen den Freunden

Der Bombenanschlag auf das US-Konsulat von Karatschi erhöht den Druck auf Pakistans Machthaber Perves Muscharraf. Der scheut den Konflikt mit den Islamisten im eigenen Land und hofft noch immer auf US-Unterstützung im Kaschmir-Konflikt

von BERND PICKERT

Der jüngste Bombenanschlag vor dem US-Konsulat im pakistanischen Karatschi macht das Dilemma offensichtlich, in dem sich Pakistans Präsident Perves Muscharraf befindet. Mit ihren Terroranschlägen treiben die islamistischen Terroristen den gerade in einem umstrittenen Referendum für fünf weitere Jahre im Amt bestätigten Militärmachthaber vor sich her.

In einem radikalen Schwenk seiner Politik – und der des pakistanischen Geheimdienstes und des Militärs – hatte Muscharraf den USA nach den Terroranschlägen vom 11. September vergangenen Jahres seine Hilfe im Kampf gegen das Taliban-Regime und das Al-Qaida-Netzwerk im benachbarten Afghanistan angeboten. Dabei war Pakistan vormals eins von nur wenigen Ländern weltweit gewesen, das die Taliban-Regierung diplomatisch anerkannt hatte. Der Geheimdienst unterhielt beste Kontakte zu den Taliban – und mutmaßlich zu al-Qaida.

Hatte sich Muscharraf als Gegenleistung zu seinem Spagat auf Unterstützung der USA im Konflikt mit Indien um Kaschmir erhofft, sah er sich enttäuscht. Zwar hat die US-Regierung in der jüngsten Krise vermittelt – noch am Vortag des Anschlages war US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in beiden Ländern –, doch steht die US-Regierung aus Sicht der meisten Pakistaner auf Seiten Indiens.

Tatsächlich haben die USA recht massiven Druck auf Pakistan ausgeübt, den Terroranschlägen islamischer Extremisten auf indische Einrichtungen Einhalt zu gebieten und ihre Ausbildungslager zu schließen. Doch nicht wenige innerhalb der pakistanischen Streitkräfte sympathisieren nach wie vor mit diesen Gruppen, deren direkte Verbindungen zum Al-Qaida-Netzwerk nur gemutmaßt werden. Der Regierung in Islamabad sind die wiederkehrenden Terrorakte gegen Indien gar nicht so unwillkommen, weil so das Thema Kaschmir auf der Tagesordnung bleibt und internationaler Druck für die Aufnahme von Verhandlungen entstehen könnte.

Die Bombe von Karatschi erhöht zunächst den Druck auf Präsident Muscharraf. Es spricht wenig dafür, dass die US-Regierung aufgrund des Anschlages auf ihr Konsulat ihre Position grundsätzlich verändern könnte – vielmehr wird sie von Muscharraf umso eindringlicher fordern, gegen die Terroristen vorzugehen. Täte der das wirklich, könnte er sich der mühsam gefundenen Balance zwischen Loyalität den USA gegenüber und Interessenwahrung der eigenen Streitkräfte nicht mehr sicher sein.

Der Anschlag von Karatschi folgte der Bombe nahe dem Sheraton Hotel in Karatschi im Mai, bei dem elf französische U-Boot-Experten getötet wurden. Und im März kamen bei einem Granatangriff auf eine Kirche nahe der US-Botschaft in Islamabad zwei US-Bürger ums Leben. Angesichts der Unfähigkeit der pakistanischen Regierung, eine kohärente Antwort zu finden, haben die terroristischen Gruppen die Macht, die Krise zu eskalieren oder zu beruhigen.

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