: Das schiefe Maß von Pisa
Heftige Reaktionen der politischen Parteien auf angebliches Länder-Ranking in Pisa-Studie. Kultusminister bezeichnen Rangfolge unter den deutschen Bundesländern als reine Erfindung
BONN/MÜNCHEN afp/ap/taz ■ Ein angebliches Ranking der Bundesländer in der Pisa-Studie über schulische Leistungen hat in allen politischen Lagern heftige Reaktionen ausgelöst. Nach mehreren Presseberichten sollen die Unionsländer Bayern und Baden-Württemberg bei der Pisa-Ergänzungsstudie zum innerdeutschen Vergleich an der Spitze liegen. Die Kultusminister der Länder dementierten die Existenz solch eines innerdeutschen Rankings: Die Meldungen zu den „angeblichen Ergebnissen“ stellten „einen Versuch dar, eine zweite Rangfolge unter den Ländern zu erfinden“ und entbehrten „einer sachlichen Grundlage“, teilte die Kultusministerkonferenz in Bonn mit.
Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber sagte dagegen: „Ich bin sicher, dass dort, wo die Union längerfristig Verantwortung für die Bildungspolitik getragen hat, die Schüler deutlich mehr Qualität erhalten als in den Ländern, die länger von SPD-Bildungspolitik geprägt sind.“ Der Bildungsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, bezeichnete die Vorabmeldungen aus Bayern dagegen als „tendenziös“. Stoiber missbrauche die Studie für „durchsichtige parteipolitische Spielchen“. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sagte in einem Interview, wer jetzt anfange, „mit dem Finger auf andere zu zeigen, hat nicht begriffen, wie ernst die Lage insgesamt ist“. Pisa habe gezeigt, wie schlecht das deutsche Bildungssystem im internationalen Vergleich sei. Da komme es nicht darauf an, wem nun das Wasser fünf oder zehn Zentimeter bis zum Hals stehe. Deutschland hatte unter 32 Ländern nur Platz 21 belegt.
Bayern und Baden-Württemberg liegen laut dem Bericht von Focus an der Spitze der Bundesländer. Weit abgeschlagen seien dagegen die sozialdemokratisch regierten Länder Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, hieß es. Schlusslichter sollen Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sein. Der deutschlandinterne Vergleich soll Ende Juni offiziell bekannt gegeben werden.
Der OECD-Statistikexperte Andreas Schleicher mahnte nach den Vorabveröffentlichungen der Studie zur Zurückhaltung. Es müssten die Nettoergebnisse berücksichtigt werden, die auch soziale und ökonomische Hintergründe der Länder mit einbeziehen, sagte Schleicher.
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