: Vesper-Highlights
Dieses Kirchen-Konzert hätte wahrscheinlich sogar Strawinski von Vivaldis Qualitäten überzeugt
Im Bewusstsein der heutigen KonzertbesucherInnen ist die Vesper kaum noch ein Begriff. Wolfgang Amadeus Mozart war sozusagen der letzte Komponist, der Vespern geschrieben hat. Das Abschlusskonzert am Sonntag in der Kirchenmusikreihe in St.Martini-Lesum rankte sich deshalb um die Psalmvertonungen, die mit Mozarts „Vesperae solennes de Confessore“ den letzten Gipfel der Gattung präsentierten.
Die treffliche Kantorei Capella St.Martini und das inspiriert und stilistisch gekonnt spielende Barockorchester „Bremer Ratsmusik“ überzeugten mit drei Psalmvertonungen von Antonio Vivaldi – welch unterschätzter Komponist der „rote Priester“ aus Venedig war. Hunderte von Manuskripten sind noch unentdeckt, und wer weiß, vielleicht würde Strawinski sein böses Fehlurteil, Vivaldi habe bestimmt sechshundertmal ein und dasselbe Konzert geschrieben, ändern, hätte er die Vespern an diesem Abend in Lesum gehört.
Im schlichten homophonen Chorsatz „Laetatus sum“, im brillanten Altsolo (sehr gut Karen Leonie Leiber) mit der konzertierenden Bratsche „Nisi Dominus“ und im rhetorisch bilderreichen „Magnificat“ ereignete sich eine solche Fülle von einfallsreichen Affekten, dass man die Musikbegeisterung der Venedig durchreisenden Menschen verstehen kann: „Ich kann mir nichts Sinnlicheres, nichts Bewegenderes als diese Musik vorstellen: der Reichtum der Kunstfertigkeit, der erlesene Geschmack der Lieder, die Schönheit der Stimmen, die Genauigkeit der Ausführung...“, schreibt kein anderer als Jean-Jacques Rousseau 1782 in seinen Bekenntnissen.
Und Mozarts Werk sprüht nur so vor überraschenden Inspirationen, wobei wie so oft bei Mozart das Kernstück „Laudate Dominum“ dem Sopran anvertraut ist: wunderschön Danuta Dulska. Thomas Roehrs und Ulrich Maier rundeten das Solistenquartett mit kleineren Partien ab. Insgesamt war das ein Konzert, das mit dem selbst gewählten Titel „Abschlusskonzert Sommer in Lesmona“ keineswegs zu hoch, sondern genau richtig gegriffen hatte.
Ute Schalz-Laurenze
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