: Party statt Container
Seit Jahrzehnten ist der Speicher XI am Überseehafen verwaist: Nächsten Samstag wird es auf der Großbaustelle wieder richtig voll. Dann ist Tag der Architektur, und der wird in Bremen mit dem „Nachtspeicher“ als Kulturevent gefeiert
Andere gucken sich vielleicht Hochhäuser an am 29. Juni. Mal wieder Modernes sehen und begehen. Schließlich ist Tag der Architektur. In Bremen ruft die Standesorganisation der Baumeister dagegen zur großen Party auf. Und das im wahrscheinlich längsten und coolsten Altbau der Stadt: Speicher XI.
Der ist zwar eigentlich noch Baustelle, aber immerhin schon asbestfrei. In sieben Gebäudetrakten soll es eine Mischung aus Vernissage (20 Installierungen) und Party (10 DJs) mit mindestens 1.000 Gästen geben. Das ist so ziemlich der aktuellste Stand einer Idee, die mal als „bunter Abend“ unter Architekten geplant war. Und in den vergangenen neun Monaten langsam aber sicher zur Großveranstaltung mutierte: der „Nachtspeicher“.
450 Quadratmeter Veranstaltungsfläche für diese Nacht wollte das Forum Junger Architekten ursprünglich haben. Aber auch diese Größe ist inzwischen schon einige Monate alt, und Andreas Wenning und Katrin Johnsen können über ihre anfängliche Bescheidenheit nur noch müde grinsen. Denn dass 450 Quadratmeter nicht reichen würden, an einem Ort, der so lang ist wie die Obernstraße und so einladend leere Gestaltungsräume besitzt wie der Speicher, war fast schon logische Konsequenz. Selbst Besitzer Klaus Hübotter hat mittlerweile den Überblick darüber verloren, dass sich die Partymeile auf seiner Großbaustelle von der Fläche her längst verzehnfacht hat. Mit Außenbereich kommen noch mal satte 4.500 Quadratmeter hinzu.
Darstellen und Feiern soll sich hier eine kunterbunte Künstlerszene: Hochschulklassen, die hier nächsten Herbst einziehen wollen. Jung-Architekten, die die Gelegenheit nutzen, solche Räume einmal ganz anders zu gestalten. Mit Video-, Kunst- und Klanginstallationen, begehbaren Folienlabyrinthen, Bau-Stillleben und mehreren Räumen für Party und Tanz (unter anderem mit dem „Urban Jazz Groove“).
Ein „wunderbares Projekt“, schwärmen jetzt Bausenatorin Tine Wischer, Architektenkammer und die Geschäftsführung der Überseestadt. Denn gefeiert wird mit dieser Riesen-Hommage natürlich auch der Ort. Der verschwundene Hafen. Der Speicher. Der niemanden mehr interessierte, seit die Schifffahrt auf Container setzte und ihren Kaffee oder Tabak nicht mehr in Säcken über die Weltmeere schickte, die in den Speicher XI gepasst hätten. Denn für Container und Gabelstapler waren die 400 Meter langen Hallen viel zu niedrig.
Dabei hatte alles so schön angefangen, wie Baumeister Hübotter die Bremer Nachrichten vom 23. Dezember 1909 zitiert: Damals nämlich hatte die Deputation für Häfen und Eisenbahnen für den Bau des Speichers 1.671.000 Mark genehmigt. Es sei „mit Freuden zu begrüßen“, erklärte der damalige Bürgermeister Barkhausen, „dass die Entwicklung der Häfen eine derartige gewesen ist, dass diese neuen Speicherbauten notwendig geworden sind.“
Inzwischen interessieren die alten Hallen natürlich um so mehr. Die Hochschule will rein, vielleicht auch das Hafenmuseum, Büros im Mittleren-Trakt. Und auch als Kultur-Kulisse sind die Hafenreviere gefragter denn je: Nach dem „Nachtspeicher“ könnte nächstes Jahr ein paar Meter weiter Filmemacher Peter Greenaway im Getreidespeicher feiern.
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Am Samstag, den 29. Juni: Opening um 16 Uhr, Eveningshow um 19 Uhr. Eintritt 9 (7) Euro.
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