: Hupen wie die Weltmeister
Tausende türkische Fans feierten mit einem Autokorso den Einzug ihrer Mannschaft ins Viertelfinale der WM. 2.500 guckten im Sony-Center. Nach dem Sieg war der Ku’damm in türkischer Hand
live aus einem Fan-AutoANTJE LANG-LENDORFF
„Wer es verdient hat, soll gewinnen. Aber am besten die Türkei“, ruft Cedwet Görduk. Er muss laut sprechen, um gegen die Hupe seines Autos anzukommen. Mit der einen Hand hält er sie ohne abzusetzen gedrückt. Mit der anderen will er sich eine Zigarette anstecken. Doch das Feuer hat er im Siegestaumel zu Hause gelassen. Kein Problem: Heute sind alle Türken Brüder und Schwestern. An der nächsten Ampel streckt ihm ein Landsmann aus dem Nachbarauto ein Feuerzeug entgegen – rot-weiß in den türkischen Nationalfarben.
Ausgelassen feierten die Berliner Türken das 1:0 ihrer Mannschaft gegen Japan und den Einzug ins WM-Viertelfinale. Tausende kurvten mit Hupen, Böllern und wehenden Halbmond-Flaggen durch die Stadt. Allein 2.500 Fans hatten das Spiel im Sony-Center am Potsdamer Platz verfolgt. Nach dem Sieg zog es die meisten Richtung Ku’damm.
Mukaddes Görduk trägt zur Feier des Tages ein rotes Kopftuch und wedelt auf der Fahrt vom Kottbusser Tor Richtung Zoo mit einem rot-weißen Schal aus dem Fenster. Sie dreht das türkischsprachige Radio Metropol FM weiter auf. Die Technobeats heizen ein, obwohl die Temperaturen im Wagen bereits grenzwertig sind. An solchen Tagen ist Cedwet Görduk froh, dass er arbeitslos ist. So konnte der Bauarbeiter im Café das Spiel sehen. Seine Frau darf wegen Rückenproblemen nicht mehr als Näherin arbeiten und hat deshalb Zeit, durch die Stadt zu gondeln. Aussteigen wollen beide nicht. Das Feiern auf der Straße überlassen sie den Jugendlichen.
Auf dem Ku’damm bleibt der Wagen im Stau stecken. Rot-weiß geschminkte Mädchen tanzen auf den Autodächern. Mehrere Fans steigen auf die Ampeln und hissen die türkische Flagge. Ein wagemutiger Junge klettert außen an der Gedächtniskirche hoch. Andere tanzen mit Hemd und Hose im Brunnen. Ein Pitbullterrier trägt wie sein Besitzer die türkische Flagge als Umhang. Mädchen schreien im Takt so laut sie können „Türkiye“ und strecken die rechte Faust in die Luft. Wären sie blond und würden „Deutschland“ rufen, man bekäme es mit der Angst zu tun.
Cedwet Görduk steuert zurück zum Kottbusser Tor. Seine Frau hat nur noch einen Wunsch: „Türkei gegen Deutschland im Finale.“ Dann stünde Berlin Kopf. Und sie wäre glücklich, egal ob ihre alte oder ihre neue Heimat den Weltmeistertitel holte.
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