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Erziehung der Sturköpfe

Beim zweiten Warnstreik gegen Kürzungen bei Kitas blieben 650 Einrichtungen geschlossen. Obwohl sich der Senat taub stellt, ist ein richtiger Streik fraglich. Einige Erzieherinnen haben schon resigniert

von SABINE AM ORDE

Mit einem vierstündigen Warnstreik haben die Erzieherinnen gestern die hiesigen Kindertagesstätten lahm gelegt. 650 der 852 städtischen Kitas blieben von 6 bis 10 Uhr geschlossen. 9.000 DemonstrantInnen protestierten vor dem Roten Rathaus gegen Einsparungen und für einen Tarifvertrag, in dem Gruppengrößen und Personalausstattung in den Kitas festgeschrieben werden sollen. Es ist bereits der zweite Warnstreik innerhalb weniger Wochen, zu dem GEW und Ver.di ihre Mitglieder aufgerufen haben. Die Beteiligung war nach Angaben der Gewerkschaften gestern noch größer als bei der ersten Arbeitskampfmaßnahme im April.

Doch den Senat scheint das nicht zu kümmern. Die Kürzungen in den Kitas, darunter vergrößerte Hortgruppen und reduzierte Freistellung der Kitaleiterinnen, haben den parlamentarischen Hauptausschuss bereits passiert; Innensenator Ehrhart Körting (SPD) lehnt einen Tarifvertrag, wie ihn die Gewerkschaften wollen, strikt ab. Er ist der Ansicht, die Personalausstattung der Kitas gehöre nicht in einen solchen Vertrag. Die Fronten sind verhärtet: Steuert Berlin nach den Sommerferien also auf einen Kita-Streik zu, wie es ihn 1989 bereits gab?

Eines ist klar: Der Unmut in den Einrichtungen ist groß und die Unterstützung der Eltern ist es auch. „Seit Jahren wird in den Kitas kontinuierlich abgebaut“, sagt Silvia Dittmann, die seit 1984 als Erzieherin arbeitet. „Jetzt ist wirklich die Grenze erreicht.“ Die Politik könne nicht gleichzeitig Qualitätsverbesserungen von den Kitas erwarten und in den Einrichtungen kürzen. Aber streiken? Dittmann, die schon 1989 dabei war, würde sofort mitmachen. In ihrer Kita in der Neuköllner Wildenbruchstraße aber, sagt sie, sei die Stimmung eher gemischt. „Manche der Kolleginnen haben einfach resigniert.“

Wie in Dittmanns Kita ist es in vielen Einrichtungen. Die Erzieherinnen leiden unter knappem Personal und schlechter Ausstattung, hohen Ansprüchen und Schuldzuweisungen von allen Seiten. Und vielen steckt der Streik von 1989 noch in den Knochen. Da legten die Erzieherinnen im bislang längsten Arbeitskampf der Berliner Nachkriegsgeschichte zehn Wochen lang die Westberliner Kindertagesstätten lahm. Auch damals wollten die Gewerkschaften Gruppengröße und Personalbemessung im Tarifvertrag festschreiben – und scheiterten an der starren Haltung des damaligen SPD-Innensenators Erich Pätzold.

Doch nicht nur gegen die Sozialdemokraten richtete sich damals die Wut der Erzieherinnen, sondern auch gegen die eigene Gewerkschaftsleitung. Denn nach zehn Wochen setzte diese den Streik aus – ohne eine Urabstimmung durchzuführen. Zu groß war die Angst der Gewerkschaftsbosse, bei einer solchen Abstimmung zu unterliegen. „Damals haben wir uns von der Gewerkschaft verraten gefühlt“, sagt Sabine Reichelt, die in einer Kreuzberger Kita arbeitet. „Vergessen ist das nicht.“

All das wissen auch die Gewerkschaften. GEW-Landeschef Ulrich Thöne sprach die „leisen Zweifel, ob alle Mühe nicht vergeblich ist“, gestern bei seiner Rede vor dem Roten Rathaus gleich an. Doch die gesellschaftliche Situation, so Thöne weiter, habe sich seit 1989 grundsätzlich verändert. Anders als nach der Wende, als in Berlin andere Fragen im Vordergrund standen, sei die notwendige Aufwertung der frühkindlichen Erziehung heute in aller Munde. „Kürzungen und Verschlechterungen stehen im Widerspruch zur gesellschaftlichen Debatte“, sagt Thöne.

Doch über pädagogische Notwendigkeiten wird derzeit mit dem Senat kaum diskutiert. Es geht allein um Sparzwänge und um die rechtliche Ebene. Die Frage also, ob man Betreuungsdetails überhaupt in einem Tarifvertrag regeln kann. Können sich Gewerkschaften und Land auch auf einer anderen Ebene einigen?

Die Berliner Ver.di-Chefin Susanne Stumpenhusen ist skeptisch. Tarifverhandlungen, sagt sie, seien nun mal das zentrale Auseinandersetzungsfeld der Gewerkschaften. Dennoch betonen Ver.di und GEW, ihre Mitglieder nicht in ein aussichtsloses Abenteuer treiben zu wollen. „Wir setzen immer noch auf Verhandlungen mit dem Senat“, sagt Thöne. Und wenn sich die Landesregierung darauf nicht einlässt, bleiben immer noch die Solidarpaktverhandlungen, durch die Rot-Rot 500 Millionen Euro im öffentlichen Dienst einsparen will.

„Eine solche Vereinbarung wird es nur geben“, sagt Thöne, „wenn der Senat bereit ist, die Kita vor weiteren Verschlechterungen zu schützen.“

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