: Von der Opposition in die Regierung
Khalida Messaoudi, algerische Menschenrechtlerin und Feministin, übernimmt einen Ministerposten
Ein zerrissenes Land schafft zerrissene Biografien. Die einstige Standartenträgerin der algerischen Opposition, Khalida Messaoudi, ist das beste Beispiel dafür. Die 44-Jährige aus der Berberregion Kabylei ist seit Anfang der Woche als Ministerin für Kommunikation und Kultur zuständig. Zudem wird sie künftig der Presse als Regierungssprecherin die Vorzüge der Politik erklären, gegen die sie bis vor kurzem noch entschieden anrannte.
Die burschikose Mathematiklehrerin machte sich als Menschenrechtlerin und als Feministin im Kampf gegen das vom Koran bestimmte Familienrecht einen Namen. Sie wollte nicht länger unter der Vormundschaft eines Mannes – Vater, Bruder oder Ehemann – leben. „Die Frau, Minderjährige auf Lebzeiten“, so Messaoudi, sollte zur vollwertigen Bürgerin werden. Etwas, was ihr und ihren Mitstreiterinnen bis heute nicht gelang.
Als Anfang der 90er-Jahre die Islamische Heilsfront (FIS) mehr und mehr das politische Leben bestimmte, brach Messaoudi mit vielen WeggenossInnen, die für einen Dialog mit dem Islamismus eintraten. Die religiösen Fanatiker waren für sie Faschisten und nicht ein Ausdruck einer tiefen Unzufriedenheit der einfachen Menschen Algeriens.
Zusammen mit einer Hand voll Intellektueller, darunter auch Said Sadi, dessen Versammlung für Demokratie und Kultur (RCD) sich Messaoudi bald anschließen sollte, rief sie die Armee dazu auf, die ersten freien Wahlen im Dezember 1991 noch vor der zweiten Runde abzubrechen, um so den Sieg der FIS zu vereiteln. „Um die Demokratie nicht zu töten“, begründete sie diesen Schritt.
Die Armee riss tatsächlich die Macht an sich. Und neben der Demokratie starben auch die Menschenrechte. Zehntausende von FIS-Funktionären wurden in Lager in der Wüste verfrachtet. Der bewaffnete Konflikt, der bis heute über 150.000 Tote geforderte, nahm seinen Lauf.
Messaoudi verteidigt die harte Gangart der Armee bis heute. Wie keinem anderem Politiker Algeriens stehen ihr dafür Teile der internationalen Presse offen. Ihr moderner, laizistischer Diskurs machte sie beliebt. Wenn sie den Putsch verteidigt, dann kommt dies aus dem Mund einer Feministin, die zugleich die undemokratischen Strukturen des Regimes angreift. Die Generäle ließen sie gewähren. War sie doch der Gegenpol zu denen, die nach der Verwicklung der Armee in die Massaker fragten.
Als Präsident Abdelaziz Bouteflika vor knapp drei Jahren die RCD zusammen mit gemäßigten Islamisten in eine „Regierung der nationalen Aussöhnung“ berief, wurde Messaoudi Beraterin. Die RCD zog sich bald wieder zurück, als sich die Berber erhoben und die Gendarmen begannen, auf protestierenden Jugendlichen zu schießen. Messaoudi blieb in der Regierung und verließ ihre Partei. Ihre einstigen Parteifreunde schlossen sich bei den Parlamentswahlen im Mai dem Wahlboykott der Opposition an. Messaoudi machte Wahlkampf für die FLN.
Ihre Argumente sind die alten. „Nur so kann den Islamisten der Weg verbaut werden“, rief sie auf Wahlveranstaltungen. Dass das ehemalige Einparteiensystem unter der FLN mit seiner Korruption, Pöstchenschieberei und seinem Machtkalkül den Islamismus überhaupt erst ermöglichte und für die tiefe Krise verantwortlich ist, diese Zusammenhänge wollte Messaoudi noch nie sehen. REINER WANDLER
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