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der nitrofen des tagesEin Honorarkonsul will das Thema Ökolandbau beim Bauernpräsidenten etablieren

Heinrich Graf von Bassewitz, gescholtener Grenzgänger

Heinrich Graf von Bassewitz ist ein Guter. Das hat er amtlich. Wegen seiner besonderen Leistung im Ökolandbau ist er mehrfach ausgezeichnet worden, zuletzt mit dem 15.000 Euro dotierten Agrar-Kulturpreis der Schweisfurth-Stiftung. Seit der Wende bewirtschaftet Heinrich Graf von Bassewitz das Gut seiner Vorfahren – Hof Dalwitz bei Güstrow. Auf 700 Hektar Weideland grasen ganzjährig über 900 Ökorinder.

Natürlich ist der Ökobauer Mitglied eines Bioverbandes, sogar stellvertretender Vorsitzender von Biopark. Seit knapp zwei Wochen sitzt er aber auch im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes. Und genau das, sagen seine Kritiker, macht den guten Ökobauern zum schlechten Grafen.

„Wir Ökobauern brauchen eine politische Stimme“, sagt der Graf. Die Agöl, der gerade zerbrochene Lobbyverband der Ökobauern, sei das nie gewesen. „In der Agenda 2000 kommt Biolandwirtschaft lediglich im Vorwort vor.“ Logisch, sagen seine Kritiker. Hat ja auch der Bauernverband erarbeitet. Bassewitz gibt zu: „Der Bauernverband macht Politik für die konventionelle Landwirtschaft.“ Was nachvollziehbar sei: 97 Prozent seiner Mitglieder sind konventionelle Landwirte. Bassewitz: „Aber genau deshalb müssen wir versuchen, mehr als 3 Prozent der Politik des Bauernverbandes zu bestimmen.“

Zum Präsidiumssitz im Bauernverband, der sonst nur Landesbauernpräsidenten vorbehalten ist, ist Bassewitz über den ökologischen Arbeitskreis im Bauernverband gekommen, der „ohne Funktionäre“ auskommt. Seit Renate Künast (Grüne) Bundeslandwirtschaftsministerin ist, messe der Bauernverband dem Ökolandbau stärkere Bedeutung zu – auch wenn das nicht alle Kritiker glauben wollen. Bassewitz: „Ich sitze lieber am Tisch des Bauernpräsidenten. Da kann man nämlich auf den Tisch hauen, wenn was in die falsche Richtung läuft.“ Und das tut vieles. So muss jeder Bauer wegen Überproduktion jährlich 10 Prozent seiner Getreideanbaufläche stilllegen. „Auch wir Ökobauern – und das ist grotesk.“ Bei Ökogetreide gebe es keine Überproduktion, sondern Mangel.

„Wir sind im Augenblick die Einzigen, die an unserem Ernährungssystem etwas ändern können“, sagt Bassewitz. Der Nitrofenskandal hat dem Image der Ökobauern nichts antun können. Die große Aufregung ist vorbei, auch wenn jetzt auch in Brandenburg belastete Produkte aufgetaucht sind, die jedoch nicht mehr im Handel sind. Und in Niedersachsen darf die Mehrzahl der gesperrten Höfe wieder produzieren, nachdem 53.000 Legehennen, 6.800 Puten und 5.000 Hähnchen getötet wurden. Mecklenburg-Vorpommern hat die Sperrung aller Agrarbetriebe aufgehoben.

Bassewitz konzentriert sich deshalb wieder darauf, die alten ideologischen Gräben zuzuschütten. „Solange wir keinen eigenen, politisch wirkungsvollen Anbauverband haben, benutzen wir den Bauernverband.“ Richtig, sagt der Bauernverband. Den Kritikern fällt dazu nur eines ein: „Naiv.“

NICK REIMER

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