: „Es gibt kein Zurück“
Der innenpolitische Sprecher der FDP, Max Stadler, schließt auch bei einer Koalition mit der Union eine Rücknahme des Zuwanderungsgesetzes aus
Interview LUKAS WALLRAFF
taz: Nach der Unterschrift des Bundespräsidenten kann das rot-grüne Zuwanderungsgesetz 2003 in Kraft treten. Bleibt es dabei, wenn die FDP ab September mit der CDU/CSU regiert?
Max Stadler: Eine Rücknahme dieses Gesetzes lehnen wir ab. Wir sind allenfalls bereit, über Verbesserungen zu verhandeln.
Was schwebt Ihnen da vor?
Bei der Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt sind die Regelungen ziemlich umständlich und bürokratisch. Wenn es hier Vereinfachungen gibt, hätten wir nichts dagegen. Auch im humanitären Bereich sind wir gerne bereit, die Wünsche der Kirchen und der Menschenrechtsverbände stärker zu berücksichtigen.
Die Union will aber genau das Gegenteil. Kanzlerkandidat Stoiber hat angekündigt, sofort nach einem Wahlsieg ein neues Gesetz zu machen, das die Zuwanderung drastisch begrenzt.
Das halte ich für Wahlkampfrhetorik. Auch Stoiber weiß: Schon das jetzige Gesetz steuert und begrenzt die Zuwanderung. Noch mehr Restriktionen kommen für die FDP nicht in Frage.
Gilt das auch für den Familiennachzug und den Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung?
Uneingeschränkt ja. Wie gesagt: Wenn in diesen Fragen überhaupt etwas geändert werden soll, können wir uns nur liberalere Regeln im Sinne der Süssmuth-Kommission vorstellen.
Wollen Sie uns weismachen, die FDP könnte in einer Koalition mit der Union mehr durchsetzen als die Grünen in den Verhandlungen mit Schily?
Nein, wir sind realistisch. Aber ein Zurück hinter das, was jetzt an Standards vorgesehen ist, wird es nicht mehr geben.
Sie gestatten, dass wir zweifeln. Bisher hat die FDP auch bei der Zuwanderung jeweils so entschieden, wie es der jeweilige Koalitionspartner wünschte. Bei der Abstimmung im Bundesrat hat sich die FDP in Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen enthalten, also faktisch dagegen gestimmt …
Das Entscheidende war die Ja-Stimme von Rheinland-Pfalz. Hätte sich die FDP auch dort enthalten, wäre es auf Brandenburg gar nicht mehr angekommen. Hätten wir gewollt, dass das Gesetz scheitert, dann hätte sich Rheinland-Pfalz enthalten müssen. Das ist nicht geschehen, und das war natürlich abgestimmt mit der Bundestagsfraktion und der FDP-Bundespartei.
Der Unterschied ist nur: Bisher regiert die FDP im Bund nicht mit. Was tun Sie, wenn Stoiber ein „Begrenzungsgesetz“ zum Essential bei Koalitionsverhandlungen erklärt?
Wer geltendes Recht ändern will, muss dafür eine Mehrheit finden. Da ist die Union in einer schwächeren Verhandlungsposition. Wenn schon ein Gesetz vorliegt, ist derjenige, der daran festhalten will, in der stärkeren Position, also die FDP. Anders sieht es natürlich aus, wenn das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zurückweist. Dann müsste man ganz neu verhandeln.
Das wird schwierig. Wollen Sie deshalb im Wahlkampf lieber gar nicht über Zuwanderung reden, wie es Ihr Parteifreund Brüderle empfiehlt?
Nein. Wenn es von anderen zum Wahlkampfthema gemacht wird, habe ich überhaupt kein Problem, unser Konzept darzulegen und offensiv zu vertreten.
So offensiv wie voriges Jahr? Da sagten Sie zu den künftigen Zuwandererzahlen: „Die Antwort kennt nur der Markt“ …
Ich werde noch deutlicher betonen, dass es auch im jetzigen Gesetz einen Vorrang für deutsche Arbeitskräfte gibt. Die Schwierigkeit liegt darin, dass es nicht leicht zu vermitteln ist, warum man bei 4 Millionen Arbeitslosen überhaupt über Zuwanderung redet. Hier tun sich Populisten leicht. Aber wir haben die besseren Argumente.
Wird jetzt ausgerechnet die FDP zur Wächterin vor gefährlichen Populisten?
Beim Thema Zuwanderung haben wir immer eine sachliche Diskussion geführt. Das werden wir auch weiterhin tun.
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