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Hummer vom Lande

ForscherInnen aus Bremen und Bremerhaven wollen Riesenmuscheln und Hummer züchten – an Land und ganz ökologisch. Die marine Aquakultur könnte zum neuen Boom-Sektor werden

Fischzucht auf dem Festland, Hummer vom Bauernhof – für Claudio Richter vom Bremer Zentrum für Maritime Tropenökologie und Unternehmer Bernd Kroon aus Bremerhaven ist das keine Spinnerei, sondern ein Arbeitsprojekt. Maritime Aquakultur, die Zucht von im Meer lebenden Tieren in Anlagen auf dem Festland, soll die wachsende Nachfrage nach Fischen und Schalentieren ökologisch verträglich befriedigen – ein Boom-Sektor, sind auch die Wirtschaftsförderer überzeugt.

Beispiel Zierfische: Seit nicht mehr nur Hobby-Aquaristen für die bunten Schwimmer schwärmen, sondern auch Unternehmen die exotischen Unterwasserwelten als Büro-Schmuck entdecken, ist die Nachfrage nicht zu bremsen. Bisher werden 98 Prozent der Zierfische und perlschimmernden Muscheln in freier Natur gefangen – mit fatalen Folgen für die empfindlichen Korallenriffe. Jetzt will Richter zeigen, dass es auch anders gehen kann und Riesenmuscheln und Fische an Land züchten.

Die Aquakultur-Pilotanlage, die er zusammen mit Partnern vor Ort entwickelt, soll im September im jordanischen Aqaba am Roten Meer in Bau gehen. Statt Futtermitteln und Antibiotika sorgt nach Richters Plänen allein die Sonne für kräftiges Fischwachstum. Nur ein Bruchteil des Wassers muss ständig ausgetauscht werden: „Wenn man die natürlichen Ökosysteme nachbildet, dann fressen die einen Organismen die Ausscheidungen der anderen.“

Noch einen Schritt weiter geht der Bremerhavener Jungunternehmer Bernd Kroon. Er träumt von Fischzucht-Anlagen, die überhaupt kein frisches Wasser und keine Nahrungszufuhr von außen mehr benötigen. „Von der biologischen Seite gibt es da kein Hindernis“, sagt Kroon. Den Schlüssel zur autarken Fischzuchtanlage hofft der Mikrobiologe, Chemiker und Biophysiker in den Meeresalgen gefunden zu haben, die er bereits erfolgreich züchtet. Kroon ist optimistisch: „Damit können wir die gesamte Nahrungskette unter kontrollierten Bedingungen aufbauen – bis hin zum Hummer“. Der käme dann nicht mehr aus dem Meer, sondern aus einer Aquakultur-Anlage bei Vechta.

Zehn Hektar Land hat der Unternehmer dort für seine Demonstrationsanlage bereits reserviert. „Das könnte eine neue Einkommensquelle für die Landwirtschaft werden“, sagt er.

Das Bremer Wirtschaftsressort schätzt, dass rund 30 Unternehmen aus der Region bereits mit Aquakultur zu tun haben – vom Anlagenbauer über die Steuerungs- bis hin zur Fischindustrie. Um weitere Firmen aus der Newcomer-Branche anzulocken, hat das Land bereits eine Machbarkeitsstudie für eine eigene Marikultur-Anlage in Bremerhaven in Auftrag gegeben – ein Ocean-Park der anderen Art.

Armin Simon

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